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Bayer +592 Punkte, Monsanto -824 Punkte

Es ist ein Megadeal, der vielen Investoren Kopfzerbrechen bereitet. Falls die Kartellwächter rund um den Globus die 66 Milliarden Euro schwere Übernahme von Monsanto durch Bayer genehmigen, entsteht zwar einerseits der weltweit größte Agrar- und Chemiekonzern – mit entsprechender Marktmacht und Ertragsaussicht.

Doch neben der Finanzierung der größten Akquisition, die ein deutsches Unternehmen jemals stemmen musste, beschäftigt nachhaltig orientierte Anleger vor allem ein weiterer entscheidender Aspekt: Lässt sich ein Engagement in Anteilsscheine des neu entstehenden Giganten unter sozial-ökologischen Gesichtspunkten überhaupt verantworten?

Und welche Folgen hätte es für den Aktienkurs und die Anteilseigner, falls Nachhaltigkeitsexperten den Daumen über Bayer-Monsanto senkten? Schließlich entscheidet das Kriterium Nachhaltigkeit bei immer mehr institutionellen Großinvestoren mit darüber, ob überhaupt Anlagekapital in die Dividendenpapiere eines Unternehmens fließen darf.

Die ersten Reaktionen von Umwelt- und Naturschutzverbänden auf die Bekanntgabe des angepeilten Zusammenschlusses geben einen Vorgeschmack darauf, gegen welche Vorwürfe sich der neue Riese künftig wird wehren müssen: „Sollten die Kartellbehörden die Fusion durchwinken, würde der neu entstehende Megakonzern eine marktbeherrschende Stellung im Bereich Saatgut, Gentechnik und Pestizide bekommen", sagte die BUND-Gentechnikexpertin Heike Moldenhauer.

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Der neue dominante Marktführer könnte künftig diktieren, was Landwirte anbauen und welche Produkte auf dem Markt verfügbar seien, fürchtet die Fachfrau. Zudem würde die Umwelt durch noch mehr Monokulturen und Gentechpflanzen leiden. Auch Greenpeace bezeichnete es als „schlechten Nachricht für nachhaltige Landwirte, Verbraucher und die Umwelt" und sieht eine „bislang ungekannten Marktmacht“ für das geplante Unternehmen. „Die Lobbymacht des neuen Konzerns wird wachsen", warnt Greenpeace-Experte Dirk Zimmermann.

Der Pharma- und Chemiekonzern Bayer weckt bei nachhaltig orientierten Investoren zwar schon bisher zwiespältige Gefühle. Die Aktie ist dennoch in einigen nachhaltigen Indizes und Fonds enthalten. Unter anderem im „Dow Jones Sustainability World Index“. Die Mitgliedschaft Bayers in diesem meistbeachteten Nachhaltigkeitsindex wurde erst vergangene Woche bestätigt.

Das Unternehmen ist zum siebzehnten Mal in Folge in diesem Nachhaltigkeitsbarometer seit dessen Gründung im Jahr 1999 vertreten. Der DJSI World umfasst rund dreihundert Konzerne, die hinsichtlich ihrer Leistungen als die besten ihrer jeweiligen Branche gelten. Sie sind demnach die vorbildlichsten zehn Prozent der 2 500 Mitglieder des Dow Jones World Index'. Analysiert werden drei Dimensionen: die ökonomische, die ökologische und die soziale.

Drei Nachhaltigkeitsfonds halten die Bayer-Aktie als eines der Top-Investments mit um die drei bis vier Prozent: Axa WF Framlington Eurozone RI, Goldman Sachs Global Responsible Equity Portfolio (GSAM Global Sustain Equity Portfolio) und Euro Capital Durable. Bei vielen strengen Nachhaltigkeitsfonds jedoch führen schon einfache Ausschlusskriterien zum Ausschluss von des Leverkusener Konzerns.

Dagegen ist Monsanto nur im ECPI Global Megatrend 100 Equity Index notiert - laut eigenen Angaben handelt es sich um einen Ethikindex. Im deutschsprachigen Raum ist der US-Konzern gemäß der Plattform nachhaltiges-investment.org nur in einem Nachhaltigkeitsfonds einer der Top-Werte: im DWS Invest Global Agribusiness, der sich als nachhaltiger Themenfonds positioniert. Bei den bedeutenden Nachhaltigkeits-Ratingagenturen gilt Monsanto sogar ausnahmslos als ein „No Go“.


Kritiker sehen perfides Geschäftsmodell

„Nachhaltigkeit lässt sich durch eine Vielzahl von Indikatoren für Ökologie, Soziales und Ethik / Unternehmensführung messen“, sagt Sönke Niefünd von der Schröderbank aus Hamburg, die nachhaltiges Portfoliomanagement anbieten. „International hat sich hierfür das Kürzel ESG etabliert: Es steht für Environment (E), Social (S) und Governance (G)“, ergänzt der Anlageexperte. Auch für die Schröderbank stelle sich aktuell die Frage in Bezug auf eine nachhaltige Kapitalanlage, ob Bayer durch die Übernahme des US-amerikanischen Unternehmens Monsanto künftig womöglich kein hinsichtlich Nachhaltigkeit vertretbares Investment mehr sei.
Öffentlich wird Monsanto vor allem kritisiert, Bauern durch ein perfides Geschäftsmodell abhängig zu machen. Hintergrund: Der Konzern verkauft nur patentiertes ertragreiches Saatgut in Kombination mit Pflanzenschutzmitteln. Das Saatgut dürfen die Bauern nur einmal nutzen. Anders als üblich können sie aus eigenen Ernten kein neues Saatgut gewinnen für die folgende Aussaat. Sie müssen jedes Jahr immer teurer werdendes Saatgut bei Monsanto kaufen. Die Koppelung mit Pflanzenschutzmitteln hindert Bauern zudem, traditionelle Pflanzentypen zu nutzen.

„In unserem Ansatz kann ein Einzeltitel innerhalb der vier Säulen Umwelt, Soziales, Unternehmensführung (ESG) und Wirtschaftliches einen Score 0 bis 100 Punkte erhalten. Damit ein Einzeltitel für uns investierbar ist, muss dieser in jeder Säule einen Score von mindestens 65 Punkten aufweisen“, sagt Niefünd.

Aktuell erfülle Bayer die von der Schröderbank geforderten Nachhaltigkeitskriterien. Bei der Corporate Governance werden die 65 Punkte nur knapp überschritten. Monsanto dagegen erfülle die Kriterien nicht, weil es im „Environmental Score“ keine 65 Punkte erreiche. „Dies ist besonders auf das Thema „grüne Gentechnik“ zurückzuführen.“ Unter der Annahme aber, dass Bayer seine bisherigen relativ guten Nachhaltigkeitsansätze bei dem gekauften Unternehmen Monsanto durchsetzt, dürfe es für „Bayer mit Monsanto“ unter dem Strich für die Qualifikation als Nachhaltiges Investment reichen, so Niefünd.

Große Unterscheide zwischen den beiden Unternehmen bescheinigt auch die Agentur Imug aus Hannover: Bayer schneidet mit +592 Punkten und der Gesamtnote A als Branchenbester ab, wogegen Monsanto mit –824 Punkten und C schlecht dasteht. Die Skala reicht bei Aktien von A bis E. Zwar seien die Profile aufgrund der unterschiedlichen Brancheneinteilung und infolgedessen verschiedenen Gewichtungen der Kriterien nur bedingt vergleichbar, erläutert Jan Köpper, Leiter Anleihen-Research. „Es besteht aber ein deutlicher Unterschied bei den ESG-Leistungen der Unternehmen.“


Bayer muss handeln - sonst droht der Rauswurf

Das sieht auch das internationale Research-Netzwerk Sustainalytics so: „Bayer ist derzeit ein Branchenführer, Monsanto hingegen nur durchschnittlich“, sagt Research-Manager Hazel Goedhart. Wie es um die Bewertung des fusionierten Konzerns bestellt ist, sei unklar: Das bei einer Übernahme führende Unternehmen dominiere in der Regel das ESG-Rating. Bei Bayer könne das jedoch anders sein. „Da einige der Geschäftsfelder von Monsanto mit hohen ESG-Risiken verbunden sind, könnte Bayers Risikoexposition steigen“, so Goedhart.

Auf die Frage, ob Bayer aus Nachhaltigkeitsindizes und nachhaltigen Portfolios institutioneller Investoren fallen würde verweist der Experte auf die jeweiligen Kriterien der Indizes und ergänzt: „Es wird auch davon abhängen, inwieweit Bayer plant, seine existierenden ESG-Politiken und Programme über das gesamte neue Unternehmen hinweg anzuwenden.“

Ähnlich urteil Portfoliomanager Niefünd: „Eine Veränderung kann je nach Umsetzung der „Bayer“-Nachhaltigskeitsstrategie und dem Umgang mit dem Thema „Grüne Gentechnik“ im neuen Konzern „Bayer mit Monsanto“ dazu führen, dass Bayer aus dem Dow Jones Sustainability Index heraus fällt“, so der Anlageprofi.

Einerseits werde „Grüne Gentechnik“ als Möglichkeit betrachtet, Pflanzen zu züchten, die sich selbst gegen Schädlinge wehren, Dürrekatastrophen überleben und dazu beitragen, den Welthunger zu bekämpfen. „Andererseits wird ‚Grüne Gentechnik‘ aber auch als Gefahr gesehen, da diese in die Ernährung eingreift, ohne dass der Verbraucher sich dagegen wehren kann“, sagt Niefünd. Und Monsanto liefert 90 Prozent des weltweit verkauften gentechnisch veränderten Saatguts für Mais, Weizen, Reis und Soja.

Kritisch zeigt sich auch Tobias Jung, Leiter Research bei der Nachhaltigkeitsagentur Inrate: Da Bayer als attraktiver Dax-Titel sehr beliebt sei, könne es sein, dass einige Fonds den Titel verstärkt beobachten, um für eine Stellungnahme gewappnet zu sein, wenn von außen auf die Investition im Bestand hingewiesen werde.

Perspektivisch könnten die Leverkusener etwas gegen schlechte Nachhaltigkeitsbewertungen setzen, sagen die Analysten. „Wenn Bayer seinen Standard des Nachhaltigkeitsmanagements im fusionierten Unternehmen für die ganze Gruppe durchsetzen könnte, würde sich die CSR-Bewertung des fusionierten Unternehmens mittelfristig wieder dem heutigen Stand der Bewertung von Bayer annähern“, führt Jung aus. Entscheidend ist seiner Einschätzung auch nach der Umgang mit dem künftig höheren Anteil an grüner Gentechnik und den damit zusammenhängenden Kontroversen.

KONTEXT

Milliardendeal mit ungewissem Ausgang

Welche Dimension hat der Deal?

Es ist die größte Übernahme durch einen deutschen Konzern. Mit einer Bewertung von 66 Milliarden Dollar (knapp 59 Milliarden Euro) stellt der Kauf selbst die später wieder aufgelöste "Hochzeit im Himmel" zwischen den Autobauern Daimler und Chrysler aus dem Jahr 1998 und die Übernahme des US-Telekommunikationsanbieters Voicestream durch die Deutsche Telekom im Jahr 2000 in den Schatten.

Was treibt den deutschen Konzern?

Durch den Zusammenschluss werden die Leverkusener auf einen Schlag zur Nummer eins auf den Märkten für Saatgut und Pflanzenschutz aufsteigen. Bayer sichert sich nicht nur wichtige Schlüsseltechnologien etwa bei genverändertem Saatgut, sondern kann auch von Monsantos führender Rolle beim sogenannten "digital farming" - der Nutzung digitaler Techniken für die Landwirtschaft - profitieren.

Aber rechtfertigt das den hohen Preis?

Bayer-Chef Werner Baumann glaubt: Ja. Der Manager sieht angesichts der schnell wachsenden Weltbevölkerung enorme Wachstumschancen im Agrarbereich. Schließlich müssten bis 2050 drei Milliarden Menschen zusätzlich ernährt werden. Außerdem müsse die Menschheit die Folgen der Klimaerwärmung auf die Landwirtschaft in den Griff bekommen. Auch hier könnten Bayer und Monsanto zusammen wegweisende Antworten geben.

Und was spricht gegen die Übernahme?

Zum einen das schlechte Image von Monsanto. Der US-Biotechnologiekonzern steht in Europa seit Jahren wegen seiner gentechnisch veränderten Produkte in der Kritik. Außerdem vertreibt Monsanto den Unkrautvernichter Glyphosat, der im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Doch ist Baumann überzeugt, die Reputationsprobleme in den Griff bekommen zu könne. Kritiker monieren außerdem die künftige Marktmacht von Bayer und Monsanto - diese gehe zu Lasten von Landwirten und Verbrauchern.

Welche Risiken beinhaltet die Übernahme sonst noch?

Im Wesentlichen sehen die Experten zwei große Herausforderungen: Zum einen die unterschiedlichen Firmenkulturen. Das Beispiel Daimler-Chrysler hat gezeigt, dass auch mit großen Vorschusslorbeeren versehene transatlantische Firmenbündnisse scheitern können. Zum anderen ist der hohe Kaufpreis eigentlich nur zu rechtfertigen, wenn der zuletzt schwächelnde Markt für Saatgut und Agrarchemikalien in den nächsten Jahren einen kräftigen Aufschwung erlebt. Doch ob dies wirklich zu erwarten ist, darüber sind Branchenkenner durchaus unterschiedlicher Meinung.

Die Übernahme ist also ein Risiko?

Das auf jeden Fall. Aber sie ist auch eine Chance für den Konzern. Denn sie rundet den Umbau von Bayer vom chemisch-pharmazeutischen Mischkonzern zum Spezialisten rund um die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze ab.

Welche Rolle spielt die Verschuldung?

Die Mega-Übernahme wird die Verschuldung der Leverkusener zumindest kurzfristig kräftig in die Höhe treiben. Angesichts der globalen Niedrigzinsen und eines erwarteten robusten Barmittelzuflusses aus dem laufenden Geschäft erscheint dies vielen Experten aber tragbar.

Ist die milliardenschwere Übernahmen jetzt endgültig unter Dach und Fach?

Noch nicht ganz. Zwar hat die Monsanto-Führung jetzt eine bindende Fusionsvereinbarung unterzeichnet, doch auch die Aktionäre von Monsanto müssen dem Geschäft noch zustimmen und sich bereit erklären, ihre Aktien zum von Bayer gebotenen Preis von 128 Dollar je Aktie zu verkaufen. Allerdings gilt dies als sehr wahrscheinlich. Immerhin bedeutet das Angebot einen Aufschlag von 44 Prozent gegenüber dem Kurs vor Bekanntwerden der Bayer-Übernahmepläne. Außerdem müssen die Kartellbehörden noch grünes Licht geben.

Und was sagen die Behörden?

Trotz der schieren Größe dürfte die geplante Übernahme bei den Kartellbehörden auf vergleichsweise wenig Widerstand stoßen. So ist Monsanto vor allem in Amerika stark, Bayer in Europa und Asien, ein Monopol droht dort daher kaum. Nur bei einzelnen Agrargütern wie Mais könnten Überlappungen die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen. Sie dürften aber wohl nur bei einzelnen Produkten Anpassungen verlangen, erwarten Experten.

KONTEXT

Der Saatgutkonzern Monsanto

Hersteller

Der US-amerikanische Konzern Monsanto ist einer der weltgrößten Hersteller von - oft auch gentechnisch verändertem - Saatgut sowie Unkrautbekämpfungsmitteln.

Umsatz

Das Unternehmen mit Hauptsitz in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri gehört zu den 500 größten börsennotierten in den USA und setzte zuletzt rund 15 Milliarden US-Dollar (gut 13 Mrd. Euro) um. Dabei erzielte Monsanto einen Überschuss von 2,3 Milliarden Dollar.

Mitarbeiter

Weltweit beschäftigt das Unternehmen nach eigenen Angaben knapp 21.200 Menschen, fast die Hälfte davon in den USA. Der Saatgutkonzern ist in 66 Ländern vertreten - auch in Deutschland.

Kritik

Monsanto bezeichnet eine nachhaltige Landwirtschaft als "Kernanliegen", wird jedoch weltweit von Umweltschutzorganisationen unter anderem für die Herstellung von gentechnisch veränderten Saatgut heftig kritisiert.

Quelle: dpa