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Ein Ölkonzern wird zum Plastikentsorger

Der Umbau des ungarischen Öl- und Gaskonzerns Mol macht Fortschritte. „Wir wollen weg von einfachen, margenschwachen Rohstoff-Produkten“, sagte Vorstandschef Zsolt Hernádi dem Handelsblatt in Budapest.

Der teilstaatliche Konzern will sich zum Spezialisten für Petrochemie wandeln. Dazu hat Mol bereits einen Vertrag zum Bau der Anlage Polyol für 1,2 Milliarden Euro in der Nähe der ungarischen Hauptstadt unterzeichnet. „Polyol soll uns hochwertige petrochemische Produkte mit höheren Gewinnmargen liefern“, sagt Hernádi.

Es ist das größte Projekt in der Geschichte des Unternehmens. Die neue Anlage stellt Propylenoxid her, ein Kernprodukt für Polyetherpolyole. Allein auf der Baustelle werden 3000 Menschen arbeiten. „2021 wird Polyol in Betrieb gehen“, verspricht Hernádi.

Partner sind der Chemiekonzern Evonik und Thyssen-Krupp. Das Projekt soll sich wirtschaftlich schnell auszahlen. „Bis 2023 wollen wir unser Ebitda in Downstream um 600 Millionen Dollar verbessern im Vergleich zu heute. Das kommt teilweise von Polyol, Effizienzsteigerungen und neuen Geschäften“, sagt Hernádi.

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Ungarns größter Konzern hat sich zum Ziel gesetzt, neue Geschäftsfelder zu erschließen und das führende Petrochemieunternehmen in Osteuropa zu werden. Der Umbau hin zu renditestarken Spezialprodukten aus der Petrochemie und der Ausbau der 2000 Tankstellen zu Service- und Einkaufszentrum soll bis 2030 abgeschlossen sein.

„Die Tankstellen werden künftig nicht mehr vom Spritverkauf leben können. Wir sehen unsere Tankstellen künftig als Laden, Gastronomie und Dienstleistungszentrum an verkehrsreichen Orten“, sagt der Konzernchef.

Im vergangenen Jahr ist der Umsatz um 26 Prozent auf 19 Milliarden Dollar. gewachsen. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) lag bei 2,69 Milliarden Dollar. Zsolt Hernádi ist seit 19 Jahren Chairman und seit 18 Jahren CEO des Unternehmens mit über 34.000 Mitarbeitern.

In Ungarn, Slowakei, Kroatien und Bosnien-Herzegowina ist Mol der Marktführer. Große Sprünge kündigt der Konzern nicht an. „Der Umsatz und der Gewinn wird in diesem Jahr ähnlich wie im letzten Jahr ausfallen“, sagt der Vorstandschef.

Plastiktrennung als Zukunftsmarkt

In Deutschland hat sich Mol zuletzt an der Recyclingfirma Aurora Kunststoffe beteiligt. „Ich glaube fest an das Recyclinggeschäft“, sagt Hernádi. Aurora, angesiedelt in Neuenstein in der Nähe von Heilbronn, kümmert sich dabei um die logistische Kette.

„Wir sehen in der Entsorgung von Plastik einen gewaltigen Markt, an dem wir einen nennenswerten Marktanteil haben wollen“, kündigt Hernádi an. „Der politische Druck für Lösungen mit den Plastikflaschen wächst. Das wird uns als ein der ersten Player im Frühstadium des Marktes nutzen.“ Die beiden deutschen Firmen seien mit der Technologie der Zerlegung von Plastik zwischen wichtigem und unwichtigem Material sehr weit voraus. Die Trennung des Mülls erfolgt durch chemische Prozesse.

Der Markt für derartige Dienstleistung ist nach Meinung des Mol-Chefs praktisch unbegrenzt. Der ungarische Konzern hat bereits eine Pilotanlage in Merseburg gestartet. Sein Ziel ist es, zu einem der führenden Recyclingunternehmen zu werden. „Wenn sich der Erfolg einstellt, werden wir sehr schnell weitere Anlage in Mitteleuropa bauen“, sagt Hernádi. „Wir wollen solche Plastikverwertungen für Ungarn und andere Länder in Osteuropa aufbauen.“

Im Gegensatz zu Westeuropa gibt es in den osteuropäischen Ländern noch keinen Zwang zum Recyceln von Plastikmüll. Doch angesichts der Müllberge in Ungarn, der Slowakei oder Balkanländern wie Serbien wird sich das nach Auffassung von Hernádi grundlegend ändern.

In Budapest hatte der Konzern zuletzt einen Carsharing-Dienst mit 400 Autos, davon 100 Elektroautos, aufgebaut. „Wir werden unseren Service für E-Autos nicht nur in Ungarn, sondern in den Nachbarländern ausbauen“, kündigt Hernádi an.

In der slowakischen Hauptstadt Bratislava führte Mol erfolgreich ein Fahrrad-Sharing-System ein. „Wir wollen unsere Verwertungsketten verlängern und neue Produkte probieren, wo wir einen Zusatznutzen haben. Das ist kein Muss, weil das laufende Geschäft aus Upstream und Downstream intakt ist. Doch um den Konzern in fünf oder zehn Jahren zu stärken, müssen wir Neues wagen“, sagte Hernádi zur Begründung.

Mol will sich auch in Zukunft nicht komplett auf das Neugeschäft verlassen. Auch die Ölförderung will der Konzern ausbauen. „Wir wollen trotz der Konversion in ein führendes Petrochemieunternehmen in Mittel- und Osteuropa weiterhin 110.000 Barrel pro Tag fördern. Schließlich ist Upstream unser größter Gewinnbringer bei Mol“, sagt Hernádi. „Unser Ziel sind Partnerschaften in risikoarmen Ländern. Nordsee und Norwegen sind sehr vielversprechend. Dort können wir über einen langen Zeitraum unsere Profitabilität kalkulieren. Das ist sehr viel wert.“

Zuletzt erwarb Mol dort die Nordsee-Aktivitäten von der BASF-Tochter Wintershall erworben. Mit dem Zukauf sei der Konzern „sehr zufrieden“.

Das diversifizierte Geschäftsmodell von Mol kommt im Markt gut an. Analyst Tomasz Krukowski von der Bank Santander empfiehlt die Aktie zum Kauf. Analystin Gellért Gaál von Concord Research lobt die profitablen Zusatzgeschäfte im Handel- und Dienstleistungssektor und setzt die Aktie auf „Akkumulieren“.

Doch um die derzeitige Förderung von 110.000 Barrel pro Tag mittel- und langfristig aufrechtzuerhalten, muss Mol neue Ölreserven kaufen. Organisch kann der Konzern das Produktionsniveau nicht aufrechterhalten. Der Blick des Konzerns richtet sich nach Osten. „Wir schauen uns neben der Nordsee auch Russland an. Zu unseren Zielländern zählt auch Pakistan, wo wir schon bisher der größte unabhängige Ölkonzern sind. Außerdem schauen wir uns im Oman und anderen Golfländern um“, berichtet Hernádi.

Konzernchef bestreitet Einmischung von Orbán

Bereits seit kurz nach der Jahrtausendwende ging Mol nach Pakistan. „Wir haben dort mit der politischen Stabilität im Land gute Erfahrungen gemacht“, resümiert der Vorstandschef. Ein terroristischer Anschlag blieb bislang aus. Auch im Oman laufe es gut.

Der ungarische Staat ist mit einem Aktienpaket von 25,2 Prozent der größte Einzelaktionär des größten Unternehmens des Landes. Spekulationen über eine Einmischung des rechtspopulistischen Premiers Viktor Orbán weist Hernádi zurück. „Orbán ist kein größeres Risiko als jeder andere Regierungschef“, sagt der CEO. „Orbán weiß sehr genau, was Mol für die ungarische Wirtschaft bedeutet. Aber das heißt nicht, dass er sich einmischt. Zwei bis drei Mal im Jahr sprechen wir mit ihm und der Regierung über die großen Fragen des Konzerns.“

Zsolt Hernádi kämpft seit 2013 gegen einen internationalen Haftbefehl der kroatischen Regierung wegen angeblicher Korruption bei der Übernahme der kroatischen Energiekonzerns INA. Die kroatischen Behörden werfen Hernádi vor, mit zehn Millionen Euro den damaligen kroatischen Premier Ivo Sanader bestochen zu haben.

„Es hat keine Bestechung beim Erwerb von INA gegeben. Das sage ich schon seit Jahren – ohne großen Erfolg in Kroatien“, beteuert er. „Für mich ist das Verfahren in Kroatien ein Albtraum seit acht Jahren. Der internationale Haftbefehl hat mich sehr belastet.“

Derzeit läuft in der kroatischen Hauptstadt erneut ein Gerichtsverfahren. Es sei beschämend, dass so mit einem Unternehmenslenker in Mittelosteuropa umgegangen werde. „Der internationale Haftbefehl beschränkt meine Bewegungsfreiheit sehr. Ich bin stolz, dass es Mol dennoch hervorragend geht“, sagt Hernádi.

Der jahrelange Rechtsstreit habe keine Auswirkungen auf das operative Geschäft des Konzerns. „Das Verhältnis zwischen Mol und der kroatischen Regierung ist so gut wie es sein muss. Es beschädigt nicht das Geschäft“, sagt der Chairman und CEO. Das ist eine gute Nachricht“. In die Raffinerie in der kroatischen Hafenstadt Rijeka werde Mol „in großem Stil investieren“.

Mehr: Mol-CEO hält Opec+ für eine gewichtige Kraft auf dem globalen Ölmarkt. Von aktuellen Turbulenzen zeigt er sich unbeeindruckt.