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Ökonomen: Neuer Teil-Lockdown verhindert „gesundheitliches und wirtschaftliches Desaster“

Die Wissenschaftler sehen den Teil-Lockdown als „Investition, die hochrentabel ist, weil sie weit größere Kosten verhindert“. Doch vieles hänge daran, ob die Maßnahmen akzeptiert würden.

Das Wachstum wird vermutlich im vierten Quartal 2020 zum Stillstand kommen, ein Rückgang sei möglich, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Foto: dpa
Das Wachstum wird vermutlich im vierten Quartal 2020 zum Stillstand kommen, ein Rückgang sei möglich, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Foto: dpa

Der Lockdown light wird den Aufschwung des Sommers stoppen. Das jedenfalls erwarten die Ökonomen der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. In ihrer Gemeinschaftsprognose für die Bundesregierung hatten sie vor zwei Wochen für das vierte Quartal ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,1 Prozent erwartet.

„Diese Vorhersage für das vierte Quartal ist nun hinfällig“, sagte Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), dem Handelsblatt. Die Chefs der übrigen beteiligten Institute teilen diese Einschätzung.

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Trotzdem: Angesichts der starken Zunahme von Neuinfektionen und Intensivpatienten halten sie den Lockdown light für notwendig. „Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie würde voraussichtlich innerhalb weniger Wochen in ein gesundheitliches und wirtschaftliches Desaster führen“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest dem Handelsblatt.

„In einem solchen Szenario müsste spätestens bei Überfüllung der Krankenhäuser ein umfassender Lockdown der gesamten Wirtschaft erfolgen.“ Ob die Maßnahmen ausreichten, sei eine offene Frage: „Man kann nicht ausschließen, dass in zwei Wochen Verschärfungen notwendig werden“, so Fuest.

Auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ist überzeugt: „Der größte Schaden für die deutsche Wirtschaft entsteht durch eine starke, lang anhaltende zweite Infektionswelle, nicht durch gezielte Beschränkungen des täglichen Lebens.“

Das Wachstum werde im vierten Quartal 2020 vermutlich zum Stillstand kommen, ein Rückgang sei möglich, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Dies hänge davon ab, ob die Verbraucher weiter konsumieren oder sich aus Angst um ihre Jobs beim Konsum zurückhalten würden.

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Auch Fratzscher und Fuest erwarten bestenfalls Stagnation für das vierte Quartal. Jedoch: „Die Entscheidung für einen selektiven Shutdown ist klug und schützt auch die Wirtschaft“, sagt Fratzscher. Denn das Infektionsgeschehen ist laut Fuest „dramatisch“ angesichts von mehr als 16.000 Neuinfektionen an einem Tag und der Verdopplung der Zahl von Intensivpatienten binnen einer Woche.

Fuest widerspricht auch der These, dass die stark steigenden Zahlen nur Folge von mehr Tests wären. Das Ifo hat die aktuellen Testzahlen auf das Pandemiegeschehen von April umgerechnet. „Nach den Ergebnissen unserer Simulation hätte man auf dem Höhepunkt der Epidemie Anfang April bei der aktuellen Zahl an Testungen knapp 16.800 Neuinfektionen registriert“, so die Ifo-Studie. Die zweite Welle dürfte damit bei weiter steigenden Fallzahlen höher werden als die erste.

Die Ökonomen sind sich einig, dass die Schäden des Lockdowns light für die Volkswirtschaft im November kleiner ausfallen werden als im Frühjahr. Damals litt vor allem die Industrie: Vorprodukte aus China blieben aus, Grenzschließungen in Europa störten die Lieferketten.

Die Schäden daraus hat die Industrie großenteils bewältigt, das Chinageschäft läuft rund – und der Lockdown gilt nicht für Industrie und Handel. Auch dass Schulen und Kitas offen bleiben, helfe der Wirtschaft. „Das bedeutet, dass Arbeitskräfte nicht für die Betreuung von Kindern zu Hause bleiben müssen“, so Felbermayr.

Totalabschaltung für Restaurants

Für Restaurants sowie für die Tourismus-, Kultur- und Veranstaltungsbranche aber „erfolgt die Totalabschaltung“, so Felbermayr. Deren Umsatzausfälle zu ersetzen sei daher dringend geboten, damit sie, die bereits seit dem Frühjahr geschwächt seien, überleben könnten.

Allerdings: Anders als etwa in Spanien und Italien ist der Anteil dieser Branchen an der deutschen Wirtschaft eher klein. Dullien schätzt die Bruttowertschöpfung etwa des Gastgewerbes auf 1,7 Prozent des BIP. Die Schließung im November würde das BIP des vierten Quartals um 0,6 Prozent verringern.

Solange die Grenzen offen bleiben und die Wirtschaftstätigkeit in wichtigen Handelspartnerländern nicht einbricht, gebe es die Chance, dass „dieses Minus sogar von einem Plus des verarbeitenden Gewerbes weitgehend aufgefangen werden kann“, sagt Dullien.

Fuest nennt die Kosten für die Betroffenen zwar „erheblich“. Bei einem Monat eines Lockdowns light schätzt er den zu erwartenden Verlust an Wertschöpfung allerdings auf die überschaubare Größenordnung von zehn bis 15 Milliarden Euro.

Diese Verluste seien um ein Vielfaches geringer als die Kosten eines umfassenden Shutdowns, „der die gesamte Wirtschaft treffen und später kommen würde, wenn wir jetzt nicht handeln“, so Fuest: „Insofern kann man diese Maßnahmen auch als eine Investition betrachten, die hochrentabel ist, weil sie weit größere Kosten verhindert.“

Warnung vor dem schwedischen Weg

Ökonomen halten es generell für schwierig, während einer Pandemie die Wirtschaft zu schützen. „Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen aber, dass überall dort, wo harte Restriktionen schnell eingeführt wurden, die Wirtschaft mittelfristig weniger Schaden genommen hat“, sagt Fuest.

Vom „schwedischen Weg“, keine Kontaktbeschränkungen zu verhängen, rät der Ifo-Chef ab. Denn in Schweden starben sehr viel mehr Menschen als in den vergleichbaren nordischen Ländern Norwegen, Dänemark und Finnland. „Wirtschaftlich lief es in Schweden aber nicht besser, sondern gemessen am Einbruch des BIP schlechter als in den Nachbarländern“, so Fuest.

Dass der Staat den von der Zwangsschließung betroffenen Unternehmen den Novemberumsatz in Höhe von 75 Prozent des Novemberumsatzes 2019 ersetzen will, stößt auf Zustimmung.

Der Düsseldorfer Wettbewerbsexperte Jens Südekum schreibt auf Twitter: „Das ist schon eine ziemlich großzügige Kompensation. Wenn es demnächst dann doch zu einer größeren Welle von Insolvenzen in der Gastronomie und in der Veranstaltungsbranche kommt, dann ist zumindest nicht Lockdown zwei schuld.“

Was der Wirtschaft wirklich schaden würde, „ist kein kurzer Lockdown in kontaktintensiven Bereichen, sondern ein Kontrollverlust bei der Virusverbreitung“, ist er überzeugt

Eine Frage der Akzeptanz

Allerdings: Der beschlossene Lockdown light kann nach Ökonomen-Überzeugung nur dann wirken, wenn er breit akzeptiert wird. Die Regierungen von Bund und Ländern müssten die Bevölkerung überzeugen. Das ist allerdings nicht einfach, wie eine Umfrage des Ifo-Instituts während der ersten Corona-Welle von März bis Mai zeigt.

Die Teilnehmer wurden zunächst hinsichtlich ihrer Haltung zu den Beschränkungen befragt. Danach bekam ein Teil von ihnen Informationen zu den Auswirkungen auf die Wirtschaft, ein anderer Teil erhielt Infos über die Gefährlichkeit des Virus. Bei beiden Themen hatten die Befragten die Schäden zunächst unterschätzt.

In der anschließenden zweiten Befragung zeigte sich, dass Männer auf die Wirtschaftsinformationen stark reagierten und ihre Meinung über den Lockdown änderten. Frauen wiederum änderten ihre Meinung, nachdem sie über das hohe Sterberisiko der über 70-Jährigen informiert wurden. Zudem stellte das Ifo einen großen Ost-West-Unterschied fest: Ostdeutsche änderten ihre Meinung auch durch zusätzliche Fakten nicht, Westdeutsche dagegen deutlich.

Südekum mahnt bereits jetzt an: Die Regierung brauche für die Zeit nach dem November-Lockdown eine bessere Strategie, das Virus mit milderen Maßnahmen in Schach zu halten. Schnelltests müssten dann überall im Alltag verfügbar sein, um Infizierte erheblich zügiger als im September und Oktober isolieren zu können.

Das öffentliche Leben wird im November nicht wie im Frühjahr weitgehend lahmgelegt. Der Schaden wird sich so in Grenzen halten, argumentieren die Ökonomen. Foto: dpa
Das öffentliche Leben wird im November nicht wie im Frühjahr weitgehend lahmgelegt. Der Schaden wird sich so in Grenzen halten, argumentieren die Ökonomen. Foto: dpa
Das öffentliche Leben wird im November nicht wie im Frühjahr weitgehend lahmgelegt. Der Schaden wird sich so in Grenzen halten, argumentieren die Ökonomen. Foto: dpa
Das öffentliche Leben wird im November nicht wie im Frühjahr weitgehend lahmgelegt. Der Schaden wird sich so in Grenzen halten, argumentieren die Ökonomen. Foto: dpa