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Ökonomen fordern von der Politik nachvollziehbare Corona-Regeln

Die vehemente Kritik des Gastgewerbes wegen neuer Corona-Beschränkungen setzt Bund und Länder massiv unter Druck. Jetzt melden sich Ökonomen in der Debatte zu Wort.

Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder beraten an diesem Mittwoch über das weitere Corona-Vorgehen. Foto: dpa
Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder beraten an diesem Mittwoch über das weitere Corona-Vorgehen. Foto: dpa

Führende Ökonomen in Deutschland haben an die Politik appelliert, bei den Corona-Beschränkungen auf das richtige Maß zu achten. „Ich würde von der Politik erwarten, dass verstärkt Schutzmaßnahmen ergriffen werden, die wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben ermöglichen, statt es zu verhindern“, sagte der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dem Handelsblatt. „Also mehr Maskenpflicht und mehr Tests und weniger Beherbergungsverbote.“

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, gab zu bedenken, dass der Schutz von Gesundheit und Wirtschaft ein „hohes Vertrauen der großen Mehrheit der Menschen“ brauche. „Dies erfordert Regeln, die nachvollziehbar und zu einem gewissen Maße damit auch einheitlich sind“, sagte Fratzscher dem Handelsblatt.

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält es für „ganz entscheidend, dass die Bürger eine einheitliche, klare Handhabe haben“, wie er am Dienstagabend im ZDF-„heute journal“ sagte. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sagte dem „Tagesspiegel“, dass die Bürger ein Recht hätten „auf klare, verbindliche Regeln, die jeder nachvollziehen kann“. Auch Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) mahnte, die Politik müsse dort, wo es nötig sei – wie beispielsweise bei der Begrenzung von privaten Feiern –, auch klare Regeln aufstellen.

Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder an diesem Mittwoch über das weitere Vorgehen zum Eindämmen der Pandemie. Das Treffen steht unter dem Eindruck eines heftigen Streits über die Beherbergungsverbote vieler Länder für Reisende aus innerdeutschen Risikogebieten.

Regierungschefs wie Manuela Schwesig (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern und Söder verteidigten die Maßnahme mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen. Söder, der als Corona-Hardliner gilt und in dessen Bundesland Hotels ebenfalls keine Gäste aus Risikogebieten aufnehmen dürfen, äußerte zuletzt aber Kompromissbereitschaft: Das Beherbergungsverbot sei ein untergeordnetes Thema, sagte er am Dienstag. De facto gehe es dabei um eine Testpflicht, um reisen zu können. Er sei aber offen für Änderungen.

Die meisten Bundesländer hatten vergangene Woche beschlossen, dass Bürger aus Gebieten, in denen binnen sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner gezählt werden, nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen.

Kritik an „regulatorischem Flickenteppich“

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, forderte, das Beherbergungsverbot nochmals auf den Prüfstand zu stellen. „Ein nochmaliger Lockdown der ganzen Hotelbranche muss verhindert werden.“ Tatsächlich zeigen sich bereits negative Folgen für die schon arg gebeutelten Firmen in der Gastronomie und Tourismusbranche.

„Nach den ersten Auswertungen unserer noch unveröffentlichten DIHK-Herbstumfrage erwartet jeder dritte Beherbergungsbetrieb im laufenden Jahr Umsatzrückgänge von mehr als 50 Prozent“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, der Agentur Reuters. Bei den Reisevermittlern seien es sogar 86 Prozent. Die Angst vor behördlichen Beschränkungen trübe auch die Erwartungen der Branche für das nächste Jahr ein.

DIW-Chef Fratzscher mahnte in diesem Zusammenhang die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, nicht den Schutz der Gesundheit und den Schutz der Wirtschaft gegeneinander auszuspielen. „Hier wird ein Konflikt suggeriert, den es nicht gibt“, sagte er. „Maßnahmen, die effektiv die Ausbreitung des Virus verhindern und verlangsamen, sind auch im Interesse der Wirtschaft.“ Firmen in der Gastronomie und der Tourismusbranche würden nur dann bald wieder mehr Umsätze machen können, wenn die Kunden auf die Sicherheit und den Schutz ihrer Gesundheit vertrauten.

Der Geschäftsreiseverband VDR warnte indes vor den Folgen des „regulatorischen Flickenteppichs“ an Länderregelungen. Diese sorgten bei Unternehmen und Geschäftsreisenden für „massive Verunsicherung“ und würden die Reisetätigkeiten der deutschen Wirtschaft erneut ausbremsen, sagte VDR-Präsident Christoph Carnier dem Handelsblatt. „Ein Beherbergungsverbot, noch dazu mit regional unterschiedlichen Vorgaben und Interpretationsspielräumen, wird diese Tendenz noch einmal verschärfen.“

Übernachtungsverbote auch für Geschäftsreisende

Von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Vorschriften seien für Firmen nicht oder nur schwer umsetzbar. „Sie führen dazu, dass die Unternehmen ihre eigenen Corona-Regeln noch stringenter auslegen und Reisen verhindert werden“, sagte Carnier. Und das, obwohl Anbieter aus dem Transport- und Beherbergungssektor sehr schnell umfangreiche Hygiene- und Servicekonzepte erstellt hätten, um Ansteckungsrisiken so gering wie möglich zu halten. „Daher halten wir Beherbergungsverbote für den falschen Weg.“

Dass die Regelungen keineswegs nur touristische Reisen betreffen, zeigt eine Umfrage des Handelsblatts bei den 16 Gesundheitsministerien der Länder. Demnach gelten in Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen relativ strikte Beherbergungsverbote auch für Dienstreisende. Wer aus einem Risikogebiet kommt und in einem der drei Länder von Berufs wegen übernachten möchte, muss, um auf Nummer sicher zu gehen, einen negativen Corona-Test vorlegen.

In Baden-Württemberg und Hamburg können Gäste darüber hinaus glaubhaft machen, dass sie sich in den Tagen vor dem Check-in nicht in einem Risikogebiet aufgehalten haben. Baden-Württemberg reicht hier eine Karenzzeit von sieben Tagen. Hamburg möchte sogar eine schriftliche Bestätigung über 14 Tage.

Andere Länder wie Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern oder das Saarland erlauben außerdem Ausnahmen von Beherbergungsverboten, wenn eine Dienstreise zwingend notwendig und nicht aufschiebbar ist. Das ist in Bayern etwa dann der Fall, wenn ein Geschäftsreisender zwingend vor Ort anwesend sein muss oder ein Termin so kurzfristig gelegt ist, dass ein Test nicht mehr möglich ist. In vielen Corona-Verordnungen steht auch, dass der Arbeitgeber die Notwendigkeit einer Dienstreise schriftlich bescheinigen kann.

Nun ist es an Kanzlerin Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder, den richtigen Corona-Kurs zu finden. Man müsse in solchen Bereichen zu Einschränkungen kommen, in denen es absolut notwendig sei, hieß es laut der Agentur dpa am Dienstag aus Kreisen von Teilnehmern des Treffens am Mittwoch. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll dem Vernehmen nach einen Lagebericht geben.