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Ökonom Issing warnt vor dem Hype um die „Modern Monetary Theory“

Die „Modern Monetary Theory“ findet unter Politikern und Ökonomen immer mehr Zulauf. Doch die neue Heilslehre ist gefährlich und führt zu Inflation, warnt das langjährige EZB-Direktoriumsmitglied Otmar Issing.

Otmar Issing ist Präsident des Center for Financial Studies (CFS) in Frankfurt, ein der Goethe-Universität angegliedertes Forschungsinstitut, das sich auf Finanzmarktanalysen und monetäre Ökonomie spezialisiert hat. Zuvor war der renommierte Ökonom und Lehrbuchautor lange Jahre Chefvolkswirt und Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank.

WirtschaftsWoche: Professor Issing, die so genannte „Modern Monetary Theory“ (MMT) wird gerade unter Geldpolitikern heiß diskutiert. Welchen Stellenwert hat sie tatsächlich in der modernen Wirtschaftswissenschaft?
Otmar Issing: Moderne Monetäre Theorie – das klingt äußerst anspruchsvoll. Hinter dem hochtrabenden Titel verbirgt sich jedoch eine ebenso einfache wie gefährliche Botschaft. Diese lautet im Kern: Die Regierung entscheidet darüber, welche Ausgaben für welche Projekte sie tätigen will, bis Vollbeschäftigung erreicht ist – ohne sich Gedanken über die Finanzierung machen zu müssen. Die Notenbank stellt das benötigte Geld zur Verfügung, und zwar nicht als Kredit, sondern als Geschenk. Kurzum: inanzierung der Staatsausgaben über die Notenpresse. Für mich erfüllt MMT nicht den Anspruch, eine diskussionswürdige Theorie zu sein. Und neu ist der Vorschlag schon gar nicht. Der Gedanke geht auf den Ökonomen Abba P. Lerner mit seiner in den Vierzigerjahren entwickelten „Functional finance“-Theorie zurück.

Unter den Demokraten in den USA gibt es gleichwohl viele MMT-Sympathisanten. Was wären die Folgen, wenn diese Denkschule nach einem Wahlsieg von Joe Biden in der Geld- und Finanzpolitik Einzug hielte?
Bernie Sanders hatte in der Tat MMT in sein Programm aufgenommen, und es gibt in den Reihen der Demokraten nicht wenige Anhänger. Ob ein Präsident Biden sich dem anschließen würde, sei einmal dahingestellt. Die Vorliebe der Demokraten ­ und generell vieler Linker weltweit - für MMT hat einen einfachen Grund: Es existieren so viele öffentliche Projekte etwa für mehr Beschäftigung, bessere Umwelt und größere Gerechtigkeit, die an der fehlenden Finanzierung scheitern. Ob die Anhänger von MMT aber auch noch dafür sind, wenn Trump die Wahl gewinnt und als Erstes die Mauer zu Mexiko mit dem freien Geld finanziert?

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Konkret: Welche Denkfehler werfen Sie der MMT vor?
Wenn es keine Begrenzung der Finanzierung von Staatsausgaben gibt, also die Budgetbeschränkung wegfällt, dann öffnet sich für die Regierung, die gerade an der Macht ist, für einige Zeit eine Art Schlaraffenland für die Staatstätigkeit. Alles was wünschbar ist, scheint möglich. Der Wettlauf im Geldausgeben muss unweigerlich in der Inflation enden. Damit schließt sich die Tür dann wieder und die Bürger zahlen die Zeche über eine hohe Inflation.

Führende MMT-Vertreter behaupten das Gegenteil.
Die MMT erkennt das Inflationsproblem und sieht daher vor, dass die Regierung beziehungsweise das Parlament die Steuern erhöht, um gegebenenfalls so viel Geld aus dem Verkehr zu ziehen, dass es nicht zur Inflation kommt. Man stelle sich vor: Zunächst gibt es keine finanzielle Beschränkung für die Staatsausgaben, und dann sollen plötzlich nicht nur die Ausgaben der öffentlichen Hand beschränkt, sondern sogar Steuern erhoben werden, nur um Geld stillzulegen? Eine naivere Vorstellung des politischen Prozesses in einer Demokratie kann man sich kaum vorstellen. Und ab welcher Inflationsrate soll der Einzug von Geld starten, wo doch so viele bereits beschlossene wunderbare Projekte noch in der Pipeline sind? Inzwischen dürften sich die Inflationserwartungen bereits in Löhnen, Zinsen und zahlreichen Vereinbarungen niedergeschlagen haben. Das Abstoppen eines einmal in Gang gesetzten Inflationsprozesses ist dann nur unter erheblichen gesamtwirtschaftlichen Kosten möglich – nicht zuletzt steigender Arbeitslosigkeit.

Kann das Konzept in einem institutionellen System mit unabhängigen Notenbanken funktionieren?
Eine Notenbank, die keinerlei Kontrolle über die Geldschöpfung besitzt, kann man nun wirklich nicht unabhängig nennen. In Zeiten des politischen Chaos werden alle Regeln außer Kraft gesetzt. Es herrscht der Notstand. Dazu passt dann auch der Vorschlag der MMT.

Mehr zum Thema: US-Ökonomin Stephanie Kelton kämpft für die „Modern Monetary Theory“.