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Erdogans Aufstieg: Wie der türkische Präsident zum wichtigsten Vermittler zwischen Russland und der Ukraine wurde

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist zu einem Vermittler im Ukraine-Krieg geworden. Regelmäßig trifft er Russlands Präsidenten Wladimir Putin.  - Copyright: Vyacheslav Prokofyev/TASS
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist zu einem Vermittler im Ukraine-Krieg geworden. Regelmäßig trifft er Russlands Präsidenten Wladimir Putin. - Copyright: Vyacheslav Prokofyev/TASS

Russlands Präsident Wladimir Putin ist nicht dafür bekannt, Drohungen zurückzunehmen. Anfang dieser Woche vollzog Putin aber eine erstaunliche Kehrtwende. Russland steigt wieder in das Abkommen zur Verschiffung von Getreide aus der Ukraine durch das Schwarze Meer ein. Seine Drohung, die Schiffe zu blockieren, nahm Putin zurück. Der Kriegsherr, der vor Monaten angetreten war, die Ukraine im Handstreich zu unterwerfen, nannte als Bedingung nun seinerseits Sicherheitsgarantien von dem Land, das er überfallen hat. Putins Einlenken war eine erstaunliche Volte. Verkündet wurde sie von Recep Tayyip Erdoğan. Der Ukraine-Krieg hat seine Position gestärkt. Bisher nutzt Erdogan ihn geschickt für seine Interessen.

Vor dem türkischen Parlament sagte Erdogan, der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe seinen türkischen Amtskollegen informiert, dass das Getreideabkommen wieder aufgenommen werde. Später berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass, die Vereinbarung sei durch Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei zustande gekommen.

Je stärker Russland sowohl diplomatisch als auch wirtschaftlich isoliert wird, umso stärker wird die Rolle der Türkei im Ukraine-Konflikt.

Erdogan balanciert auf einem schmalen Grat

Seit Russlands Überfall auf die Ukraine hat sich Erdogan auf einem schmalen Grat bewegt. Die Türkei ist Nato-Mitglied und wirtschaftlich eng mit Europa verflochten. Erdogan verurteilte zwar den Krieg, vermied es aber, klar Partei für die angegriffene Ukraine zu ergreifen. Den Sanktionen des Westens gegen Russland verweigerte sich die Türkei. Erdogan gewährte sanktionierten russischen Oligarchen und ihrem Geld sogar sicheren Unterschlupf in der Türkei. Mehrfach traf er Putin, zuletzt verkündeten die beiden Präsidenten, die Türkei zu einem Drehkreuz für russische Öl- und Gaslieferungen machen zu wollen, neue Pipelines inklusive.

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Auf der anderen Seite stützt Erdogan Positionen der Ukraine und ihrer Verbündeten. In einer TV-Sendung, sagte er, Russland müsse sich nicht nur aus dem seit dem 24. Februar eroberten Gebiet zurückziehen, sondern auch "die Krim an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben". Russland hatte die Halbinsel Krim und Gebiete in der Ostukraine bereits 2014 besetzt und annektiert. "Die Gebiete, in die eingedrungen wurde, werden der Ukraine zurückgegeben", fügte Erdogan hinzu.

Im Moment scheint die Türkei eines der wenigen Länder zu sein, das in der Lage sein könnte, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln, eventuell sogar beide Seiten an einen Tisch zu bringen. Erdoğan positioniert sich damit zunehmend als wichtiger Akteur in der Region um das Schwarze Meer und darüber hinaus auf Bühne der Weltpolitik.

Erdogans diplomatische Erfolge

Das Abkommen zum Export von Getreide aus der Ukraine war ursprünglich von der Türkei zusammen mit den Vereinten Nationen vermittelt worden. Ziel ist es, eine weltweite Hungerkrise abzuwenden. Die Ukraine ist neben Russland der größte Getreideexporteur der Welt. Vor allem in Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika sind viele Länder existenziell vom Getreide aus der Ukraine abhängig.

Eine wichtige Rolle spielte Erdoğan auch bei dem großen Gefangenenaustausch, bei dem Russland ukrainische Kommandeure aus dem Azow-Stahlwerk in Mariupol freiließ. Zuvor hatte Russland damit gedroht, die Ukrainer vor ein Militärtribunal zu stellen und möglicherweise hinzurichten.

Erdogan musste auch Rückschläge hinnehmen. Bereits im März war er Gastgeber vorläufiger Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul, die jedoch ergebnislos verliefen.

Im eigenen Land steht Erdoğan vor schwierigeren Zeiten: Er geht in ein Wahljahr mit starkem Gegenwind. Die türkische Wirtschaft ist schwach, die Inflationsrate eine der höchsten der Welt. Offiziell liegt sie bei rund 80 Prozent. Ökonomen schätzen die wirkliche Teuerung aber eher höher ein. Auch im Verhältnis zu Europa und der Nato gibt es immer wieder Spannungen. So stimmte Erdogan der Aufnahme Finnlands und Schwedens nur unter Bedingungen zu. Zudem forciert die Türkei einen gefährlichen Konflikt mit dem Nachbarn Griechenland.

Anerkennung auch aus der Ukraine

Der Ukraine-Krieg, die wirtschaftlichen und humanitären Folgen haben Erdogan nun eine Rolle finden lassen, die ihn auch für den Westen wichtiger macht.

Auch die Ukraine ist bemüht, Erdogan als Vermittler zu Russland zu stärken. Nach der Rettung des Getreideabkommens bedankte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich bei Erdoğan für "seine aktive Beteiligung an der Aufrechterhaltung des Getreideabkommens, für seine unerschütterliche Unterstützung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine".

Später erklärte Erdogan im türkischen Sender ATV, dass er mit Selenskyj darüber gesprochen habe, Getreide in afrikanische Länder zu liefern, und dass Putin ihm vorgeschlagen habe, angesichts der Lage in diesen Ländern zunächst Getreide in Länder wie Dschibuti, Somalia und Sudan zu schicken.

Diejenigen, die die Entwicklungen der letzten Monate verfolgt haben, sind sich der wachsenden Rolle und des wachsenden Einflusses von Erdoğan zunehmend bewusst.

"Ich habe erwähnt, dass Ankara hier das letzte Wort haben könnte, aber ich hätte nicht erwartet, dass sie so viel Einfluss auf Putin haben", schrieb Andrei Sizov, der Leiter von SovEcon, einem Forschungsunternehmen für Agrarmärkte, auf Twitter. "Ich frage mich wirklich, was das Geheimnis von Erdoğan ist."

Der Artikel erschien zuerst bei Business Insider in den USA. Das Original lest hier.