Nach dem Note-7-Debakel: Wie verbrannt ist Samsung?
Der Schock sitzt tief: Statt Apples iPhone 7 herauszufordern, musste Samsung sein wenige Wochen zuvor gelaunchtes Galaxy Note 7 nach zahlreichen Explosionen zurückrufen. Vor wenigen Tagen gab der weltgrößte Smartphone-Hersteller die Produktion seines Flaggschiffs gar komplett auf. Der unmittelbare Schaden beläuft sich auf mehr als fünf Milliarden Dollar, die Langzeitfolgen könnten jedoch gravierender sein.
Es sah nach einem fast perfekten Sommer aus: 78 Millionen Smartphones konnte Samsung im Juni-Quartal absetzen – fast doppelt so viel wie der langjährige Rivale Apple, der mit seinem iPhone 6s einen unerwartet schweren Einbruch hinnehmen musste. Mit Erlösen von 45 Milliarden Dollar konnte Samsung im zweiten Quartal sogar wieder den Erzrivalen Apple übertreffen.
Nach einer zweijährigen Talfahrt schien sich Samsung wieder auf Comeback-Kurs zu befinden, was die Börse mit deutlichen Kurszuwächsen vorwegnahm. Gar neue Allzeithochs stellte der 78 Jahre alte Verbraucherelektronikriese im August an der Seouler Börse auf – und es schien noch besser zu kommen.
Schneller Note -7-Launch, um Apple beim iPhone-7-Launch zu düpieren
Um dem verhassten Erzrivalen aus Cupertino, der seit Jahresbeginn die ersten Absatzrückgänge seines Kassenschlagers iPhone seit der Einführung 2007 verkraften muss, richtig wehzutun, schickte Samsung dieses Jahr früher als sonst sein neues Phablet-Flaggschiff ins Rennen, das das wenig innovative iPhone 7 Plus schlecht aussehen lassen sollte.
Unter großem Medienbohei wurde das 5,7 Zoll große Galaxy Note 7 bereits Anfang August in New York vorgestellt. Die Vorschusslorbeeren waren enorm: Das Note 7, das über einen Iris-Scanner, USB-C-Port und Stift-Bedienung (S Pen) verfügte, wurde von Kritikern mit jeder Menge positiver Testberichte überhäuft. Zwei Wochen später kam das Note 7 in den USA bereits auf den Markt, um gegenüber Apple in den Wochen vor dem iPhone-7-Launch so viel Käufer wie möglich zu finden. Analysten schätzten das Absatzpotenzial auf mindestens 15 Millionen Geräte bis Jahresende.
Note-7-Drama: Vom Software-Update zur Produktionseinstellung in sechs Wochen
Dann passierte etwas, was im Social-Media-Zeitalter, in dem sich Bilder exponentiell schnell verbreiten, nie passieren darf: Plötzlich explodierten Akkus – und mit ihnen das ganze Note 7. Was zunächst nach Einzelfällen aussah, entwickelte sich in den folgenden sechs Wochen zum größten anzunehmenden Unfall, den ein Anbieter von Verbraucherelektronik in den letzten Jahrzehnten erlebt hatte.
Die Fälle von verbrannten Note 7 häuften sich – und Samsung fand kein Mittel, der Krise Herr zu werden. Weder ein Software-Update noch ein Akku-Austausch vermochten den Brandherd zu stoppen: Über 100 der bis zu 1000 Euro teuren Premium-Smartphones von Samsung gingen bis Mitte Oktober in Flammen auf. Flugzeuge mussten evakuiert werden, Kinder zogen sich schwere Verbrennungen zu, das Chaos war perfekt.
Doch nicht mal eine Rückrufaktion von bis dato 2,5 Millionen Note-7-Smartphones vermochte das Chaos einzudämmen, weil auch neue Geräte in Brand gerieten. Die Folge: Vergangene Woche zog Samsung die Reißleine und stellte die Produktion des Krisen-Smartphones komplett ein.
5 Milliarden Dollar entgangener Gewinn durch das Note 7
Seitdem sind die Weltbörsen damit beschäftigt, die Ausmaße des Super-GAUs finanziell einzupreisen – die Aktie hat sich mit einem Abschlag von nur sieben Prozent zu den Allzeithochs noch recht beachtlich gehalten. Statt 15 Millionen Geräte bis Jahresende abzusetzen, muss sich der mit Abstand wertvollste Konzern Südkoreas wohl auf entgangene Umsätze von 17 Milliarden Dollar einstellen, rechneten die Analysten von Credit Suisse vergangenen Woche vor.
Wenig später bezifferte Samsung selbst das Ausmaß des Schadens. Um gleich ein Drittel (2,6 Milliarden Dollar) wurde der Nettogewinn im September-Quartal wegen des Note-7-Debakels belastet, warnte der Verbraucherelektronikriese vergangene Woche und schob tags darauf eine weitere Gewinnwarnung hinterher, nach der die Einbußen im Weihnachtsgeschäft und im ersten Quartal zusammengenommen ähnlich hoch ausfallen dürften. Macht summa summarum einen durch das Note 7 entstandenen Schaden von rund 5 Milliarden Dollar.
„Kunden werden Samsung als Marke hinterfragen“
Wie massiv die Konsequenzen für den Gesamtkonzern ausfallen, der den Löwenanteil seiner Umsätze und Gewinne durch Chips und Displays einfährt, aber auch Laptops und Haushaltsgeräte wie Kühlschränke, Waschmaschinen und Mikrowellen herstellt, scheint derzeit völlig unklar.
„Samsung muss sicherstellen, dass die Wahrnehmung der Nutzer bleibt, dass etwas mit dem Note 7 schiefgelaufen ist und nicht mit Samsung generell“, legte Carolina Milanesi vom Marktforscher Creative Strategies den Finger in die Wunde. „Je unübersichtlicher die Lage wird, desto mehr Kunden werden Samsung als Marke hinterfragen“, gab Milanesi bereits am Tag vor dem Produktionsstopp zu bedenken.
Samsung könnte im Weihnachtsquartal von Apple überholt werden
„Ich glaube derzeit nichts, was Samsung sagt. Sie haben die Angelegenheit sehr schlecht gehandhabt“, sieht CNBC-Marktkommentator James Cramer auch große Defizite in der Krisenkommunikation, die zum Vertrauensverlust geführt haben könnte.
Zumindest die zuvor wiedererstarkte Smartphone-Sparte dürfte es in absehbarer Zeit schwer haben, an alte Erfolge anzuknüpfen, weil potenzielle Kunden nun auch dem eigentlichen Flaggschiff Galaxy S7 mit mehr Misstrauen begegnen dürften. Die taiwanische Wirtschaftszeitung DigiTimes rechnet bereits damit, dass Samsung im laufenden Weihnachtsquartal von Apple als zahlenmäßig größter Smartphone-Hersteller der Welt verdrängt wird.
„Samsung ist das nächste Blackberry“
Um diesen Absturz zu vermeiden, kämpfen die Südkoreaner verbissen um ihre Kunden: Note-7-Besitzer, die ihr Krisengerät gegen ein anderes Samsung-Smartphone eintauschen, bekommen eine Gutschrift von 100 Dollar. Auch im Weihnachtsgeschäft geht Samsung aggressiv vor: Deutschen Kunden, die das noch verbliebene Flaggschiff Galaxy S7 (edge) im Online Shop erwerben wollen, wird der Kauf aktuell mit der Zugabe eines Galaxy Tab E-Tablets versüßt.
Nach Einschätzung von Vermögensverwalter Cody Willard dürfte das nichts an Samsungs Abstieg ändern: „Ich glaube, dass Samsung das nächste Blackberry ist und nichts ihren Einbruch beim Gewinn und im Aktienkurs stoppen kann“, sieht der Hedgefondsmanager durch das Note 7-Debakel den Anfang vom Ende der glorreichen Smartphone-Ära von Samsung gekommen.
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