Brexit-Opfer: Billigflieger Easyjet stürzt in einer Woche um 40 Prozent ab
Bitterer Börsencrash: Billigflieger Easyjet hat seit vergangener Woche in der Spitze 40 Prozent an Wert verloren und dabei mehr als drei Milliarden Euro an Börsenwert vernichtet. Die britische Fluglinie hatte gewarnt, dass sich die Brexit-Entscheidung bereits kurzfristig negativ auf das Buchungsverhalten niederschlagen dürfte.
Auf den Schicksalstag folgt der Schicksalsschlag: Der Brexit hat Europa die Sprache verschlagen. Nur die Kapitalmärkte haben schnell zur Tagesordnung zurückgefunden – mit vorhersehbaren Reaktionen. Alles fällt: Das Pfund auf ein 31-Jahrestief, der Euro auf ein Mehrmonats-Tief bei 1,10 Dollar und die Aktienmärkte auf die schwächsten Notierungen seit Februar.
In der allgemeinen Ausverkaufsstimmung, die Aktien seit Freitagmorgen um fünf bis zehn Prozent nach unten gedrückt hat, stechen zwei klare Verliererbranchen hervor: Der Finanzsektor wegen der unvorhersehbaren Lage an den Kapitalmärkten und die Tourismus- und Luftfahrtbranche wegen der erwarteten mittelfristigen Einbußen bei Buchungen nach Großbritannien.
Easyjet verliert 40 Prozent Börsenwert in drei Handelstagen
Ganz oben auf der Verliererliste steht ausgerechnet einer der größten Gewinner der vergangenen Jahre: Die britische Billigfluglinie Easyjet, die neben Ryanair die größte Erfolgsgeschichte der notorisch wechselhaften Luftfahrtbranche der letzten Jahre geschrieben hat und vergangene Woche fast einen doppelt so hohen Börsenwert wie der traditionsreichen Lufthansa aufwies.
Davon ist zu Wochenbeginn nur noch ein hauchdünner Vorsprung geblieben. Sagenhafte 40 Prozent hat die in Luton bei London ansässige britische Billigfluggesellschaft seit Mitte vergangener Woche beim Sturz von 20,20 bis auf 12,20 Euro in der Spitze vernichtet – mehr als drei Milliarden Euro an Börsenwert wurden ausradiert.
Umsatzrückgang wird schon im Sommer erwartet
Der Grund: Überbordende Brexit-Sorgen, die Easyjet selbst formulierte. Bereits am Freitag nach Auszählung des schicksalhaften Referendums riss ein Kurssturz die Easyjet-Aktie zweistellig in die Tiefe. Das dicke Ende folgte jedoch am Montag, als die Briten als unmittelbare Folge des EU-Ausritts vor einem spürbaren Umsatz- und Gewinnrückgang warnten – und zwar bereits diesen Sommer. Die Aktie verlor an nur einem Handelstag fast 25 Prozent ihres Wertes – soviel wie seit 12 Jahren nicht mehr.
Der Grund ist nicht nur psychologischer Natur, sondern durch den Wechselkurs bedingt: Als britische Fluggesellschaft leidet Easyjet unter dem massiven Einbruch des Pfunds, das von Freitagnacht bis Dienstag von 1,50 auf 1,31 Dollar einbrach und damit mehr als 13 Prozent an Wert verlor. Entsprechend dürften auch Easyjets Gewinne künftig nachgeben.
Zudem ist nach Umsetzung des Brexits völlig unklar, ob Großbritannien im EU-Luftverkehrsbinnenmarkt verbleiben wird. Im schlechtesten Fall könnte es für Easyjet zu erheblichen Streckenkürzungen kommen, wenn die britische Airline nach einem Wegfall des EU-Open-Sky-Abkommens innereuropäische Flüge ohne ein Start- oder Landeziel in Großbritannien (etwa zwischen Berlin und Mailand) nicht mehr anbieten dürfte.
Gewinnwarnung beendet langjährige Erfolgsstory
Doch nicht nur der Brexit belastet. Auch die niedrigen Ticketpreise, mit denen die erst 21 Jahre alte Airline bereits ab 25 Euro pro Strecke wirbt, der Fluglotsenstreik in Frankreich, der Absturz der Egyptair und Wechselkurseffekte würden den Nettogewinn im laufenden Quartal um gleich 28 Millionen Pfund (34 Millionen Euro) schmälern, teilte Vorstandschefin Carolyn McCall am Montag mit. Die Umsätze im laufenden dritten Quartal dürften um knapp 9 Prozent nachgeben.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr konnte Easyjet seine langjährige Erfolgsgeschichte noch mit zweistelligen Zuwächsen fortsetzen: Die Erlöse zogen um 4 Prozent auf 4,68 Milliarden Pfund (5,6 Milliarden Euro) an, während die Nettogewinne gar um 22 Prozent auf 548 Millionen Euro (657 Millionen Euro) zulegten.
Auch Ryanair leidet
Seit dem Start 1995 hat Easyjet einen weiten Weg zurückgelegt. Gerade mal zwei von British Airways geleaste Boeings flogen seinerzeit vom Provinzflughafen London Luton, der 50 km nordwestlich von der britischen Hauptstadt entfernt liegt, die schottischen Städte Glasgow und Edinburgh an. Heute verkehrt der nach Ryanair zweitgrößte Kurzstreckenanbieter Europas in 31 Ländern, fliegt dabei 136 Flughäfen an und beförderte im vergangenen Geschäftsjahr 69 Millionen Passagiere.
Wie sehr Easyjets 21-jährige Erfolgsstory in diesem Jahr einen Knick bekommt, ist nach den tumultartigen Tagen nach dem Brexit-Referendum noch kaum abzusehen. Fest steht, dass auch Erzrivale Ryanair an der Börse durch den Brexit in arge Turbulenzen geraten ist – die Aktie gab in der Spitze ebenfalls um 25 Prozent nach.
Sehen Sie auch: Fluglinien leiden unter Brexit