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Was der Handelsstreit für China bedeutet

Der von Washington angezettelte Handelskrieg setzt Peking unter Druck. Es wächst der Zweifel an der heimischen Politik.

Elf Mal oder doch häufiger? Nur eine Handvoll Tage soll es 2018 gegeben haben, an denen Chinas Präsident Xi Jinping nicht in einer Schlagzeile oder einem Bild auf der ersten Seite der staatlichen People's Daily auftauchte. Nachgezählt wurde, weil es plötzlich still war. Kein Xi auf der ersten Seite und das für Tage.

In China wird Politik hinter verschlossenen Türen betrieben. Mitten im Herzen von Pekings, aber hinter hohen Mauern, die kaum ein normaler Bürger je betreten hat. Chinas Politik ist eine Blackbox. Auch deshalb schlagen Spekulationen schnell hohe Wellen. Ohne freie Presse, ohne öffentliche Debatte ist jede Schlagzeile verdächtig. Jeder Text, selbst wenn er nicht geschrieben wird, könnte ein Hinweis sein. Kronzeugen sind die Taxifahrer der Hauptstadt. Oder die Frau eines Kollegen, die etwas gehört hat.

„Keine glaubhaften Belege“, urteilt Bill Bishop, ein bekannter Chinakenner jüngst in einer seiner Analysen über die wildesten Gerüchte, die dieser Tage aus der Blackbox dringen. Xis Politik verliere an Unterstützung, hieß es dort. Doch auch wenn Bishop an den Gerüchten zweifelt – nicht zuletzt, weil sich Chinas oberste Führungsriege bald wie jedes Jahr im Badeort Beidaihe trifft. Ein verlässlicher Katalysator für die Gerüchteküche Pekings – schreibt er: „Nicht auszuschließen, dass etwas Merkwürdiges vor sich geht.“

Merkwürdig, das ist in Xis Sonnenstaat schon Anlass genug. Erst im März hat der Präsident seine Regierungszeit auf unbestimmte Zeit verlängern lassen. Ein Schritt, der selbst in den obersten Reihen der Partei für Unruhe sorgte. Nach Mao Zedongs Willkürherrschaft hatte man 1982 die Partei und Regierung getrennt und eine Nachfolgeregelung eingeführt. Alle zehn Jahre ein Wechsel. Xi hob diese Regel auf. Er schien auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen. Am Mittwoch dann widmete die staatliche Volkszeitung Xis „88-Strategien“, seiner Politik als Parteisekretär der Provinz Zhejiang, wieder einen Artikel auf der Titelseite. Diese hätten die Provinz erst zu einer wirtschaftlichen Gewinnerregion wachsen lassen. Sie soll daran erinnern, das Xi ein erfolgreicher Stratege ist, ein Reformer. Vielleicht ist doch etwas dran an den Gerüchten. Xi steht unter Druck. Er braucht Erfolgsgeschichten.

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Der Präsident hat die Außenpolitik des Landes umgekrempelt wie kein chinesischer Staatschef vor ihm. Jahrhunderte lang hat sich China nur um sich selbst gekümmert. Nun verkauft das Land sein Modell in die Welt.

Das Land, das vor der Welthandelsorganisation gerne so tut, als sei es ein Entwicklungsland. Immer dann, wenn es um Pflichten geht. Das wirbt nun auf offener Bühne für seinen autoritären Staatskapitalismus. Reich werden, ohne Macht zu verlieren. Für viele Staatsführer verlockend. Doch Xis Seidenstraßen-Initiative ist eine riskante Wette. Eine Billion Dollar will das Land weltweit in Infrastrukturprojekte investieren. Der Westen ist nie richtig warm geworden mit der Idee. In ersten Ländern wächst der Widerstand gegen die chinesische Schuldenlast. In manchen Staaten reicht eine Wahl, und der Wind dreht sich.


China 2025

Dann ist da noch die Made in China 2025 Initiative. Sie ist eine Kampfansage an den Westen. Xi will, dass China bis 2025 auf Augenhöhe mit anderen Industriestaaten ist. Wo China Marktanteile gewinnt, verlieren andere. Ausländische Firmen spüren das schon heute. Peking gängelt die Konkurrenz, während es im Ausland Technologie zukauft. Zu Hause presst es das Wissen aus den ausländischen Firmen.

Das sind keine Gerüchte. Xi hat seine Ziele in der 2025-Strategie selbst schwarz auf weiß formuliert, für die ganze Welt sichtbar. Schon Chinas Militärstratege Sunzi schrieb 500 Jahre vor Christus: „Wenn du etwas vorhast, tue, als ob du es nicht vorhättest. Wenn du etwas willst, tue, als ob du es nicht benutzen wolltest.“ Nun darf nicht mehr über die Initiative berichtet werden. Spricht man Chinas Offizielle darauf an, geben sie vor, sich nicht zu erinnern. Made in China 2025? Nie gehört.

Doch das wird kaum reichen. Der von den Amerikanern angezettelte Handelskrieg ist auch eine Antwort auf Xis Kurs. „Ich bin kein großer Fan von Zöllen, aber wir können auch nicht erlauben, dass China unsere Technologie stiehlt“, sagte Larry Kudlow, Wirtschaftsberater von Trump, erst diese Woche in einem Interview. Lokale Parteivertreter in China würden sich wie „Mafiabosse“ aufführen. Die amerikanische Technologie sei in Gefahr. Die Eskalation des Konflikts hängt auch an Vizepremier Liu He. Der 66-Jährige spricht fließend Englisch, er hat in Harvard studiert. Ein stiller und zurückhaltender Mann, der sich auf der Bühne eines Panels in Davos genauso wohlfühlt wie in Chinas Regierungsviertels Zhongnanhai. Xi hat ihn zum wichtigsten Wirtschaftsstrategen gemacht und Ministerpräsident Li Keqiang, eigentlich Chinas oberster Wirtschaftsmann, in den vergangenen Jahren ins Abseits gedrängt.

Doch Liu He hat im Handelsstreit keine glückliche Hand bewiesen. Der Vizepremier wollte das Handelsdefizit verringern. Keine Reaktion. Er soll Trump angeboten haben, mehr Maschinen von Boeing zu kaufen und Turbinen von GE Power anstatt von Siemens. Keine Reaktion. Liu verhandelt immer noch und hofft auf ein Einlenken Washingtons. Das führt zu Erstaunlichem. So gelang vor ein paar Tagen Elon Musk das, wovon Bürger in China nur träumen. Er fuhr mit zwei roten Tesla im Zhongnanhai vor. Es ist eben dieser Gebäudekomplex, indem China sonst in aller Heimlichkeit seine Politik betreibt. Das Hauptquartier der Kommunistischen Partei, davor Musk in schwarzem Anzug und arrogant-trotzig zusammengekniffenen Lippen. Er plant gerade eine Fabrik in China. Seine Autos belagern dort die Parkplätze, wo Xi von Chinas eigener Autoindustrie träumt. Made in China 2025. Aber die Initiative gibt es ja offiziell nicht mehr.

Eine Demütigung, Xi lässt sie geschehen. Wie weit Chinas Wirtschaft von einer wettbewerbsfähigen und unabhängigen Wirtschaft entfernt ist, zeigte sich im Mai mit Trumps Ankündigung, den Smartphone-Hersteller ZTE sieben Jahre den Import von amerikanischen Chips zu untersagen. Chinas Sputnik-Moment schrieben Zeitungen. Peking muss Made in China zu einem Qualitätssiegel machen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Propagandamaschine läuft zwar auf Hochtouren. Hochgeschwindigkeitszüge, mobile Bezahldienste, Onlinehandel und der Fahrradverleih per App. Die Staatspresse feiert die „vier modernen chinesischen Erfindungen des 21. Jahrhunderts“.

Doch der ZTE-Fall zeigt: China importiert jedes Jahr Halbleiter im Wert von 200 Milliarden Dollar. Obwohl Peking Milliarden in eine eigene Halbleiterindustrie investiert, ist sie noch lange nicht so weit. Ein Stopp des Exports würde die Elektronikindustrie in China innerhalb von Tagen an den Rand eines Kollapses treiben. Wirtschaftliches Wachstum ist das Fundament des autokratischen Regimes, das sich das Schweigen seines Volkes mit Geld erkauft. Nun dürfen Chinas Zeitungen nicht mehr von einem Handelskrieg schreiben. Das Wort „Krieg“ ist neuerdings verboten. Nun spricht Xis Staatspresse von „Reibereien“. Und diese haben gerade erst begonnen.