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„Es gibt keinen besseren Ort auf der Welt, um zu investieren“

Ausverkauf in Brasilien - „Es gibt keinen besseren Ort auf der Welt, um zu investieren“

Eine schwere Rezession, ein traumatischer Wechsel im Präsidentenamt und ein nicht enden wollender Korruptionsskandal - steckt weiterhin tief in der Krise. Doch das scheint Investoren aus dem Ausland nicht abzuschrecken: Keine Woche vergeht, ohne dass ausländische Konzerne oder Fonds Investitionen in Milliardenhöhe verkünden.

Von Januar bis August investierten sie 41 Milliarden Dollar im größten Land Südamerikas. Das ist so viel wie in den Boomzeiten vor knapp einer Dekade. Nach Angaben der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (Unctad) haben die ausländischen Direktinvestitionen in Brasilien im ersten Quartal um 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt.

„Es mehren sich die Anzeichen, dass die Erholung in Brasilien bevorsteht“, sagt Andreas Renschler, Vorsitzender des Lateinamerika-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG. Abilio Diniz, Teilhaber des brasilianischen Lebensmittelriesen BRF und einer der größten Einzelaktionäre der französischen Supermarktkette Carrefour, sagt: „Es gibt derzeit keinen besseren Ort auf der Welt, um zu investieren.“

Das klingt übertrieben optimistisch. Denn nicht nur die Gegenwart sieht düster aus, auch die Perspektiven sind keineswegs berauschend: Die Wirtschaftsleistung Brasiliens wird dieses Jahr um 3,5 Prozent schrumpfen und auch 2017 nur um 0,5 Prozent wachsen, erwartet die Uno-Wirtschaftskommission für Lateinamerika. Die politische Krise des Landes ist nach der Ablösung der linken Präsidentin Dilma Rousseff durch den Konservativen Michel Temer keineswegs beendet. Auch die Ermittlungen in der Korruptionsaffäre um den Ölkonzern Petrobras nehmen wieder Fahrt auf.

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Doch die Investoren tun so, als ob Brasilien ein Boom bevorstehe. Einige Beispiele: In der Strombranche haben ausländische Konzerne in den vergangenen Monaten ihren Anteil ausgebaut. So etwa der chinesische State Grid, der für vier Milliarden Dollar CPFL, den größten integrierten Stromkonzern des Landes, gekauft hat. Es ist die wichtigste Auslandsinvestition des chinesischen Konzerns weltweit. Das Unternehmen wird weitere 7,6 Milliarden Dollar aufwenden für Investitionen und für den Aufkauf der Tochterkonzerne.


Ausverkauf auch im Öl- und Gassektor

China Three Gorges (CTG) hat in zwölf Monaten rund fünf Milliarden Dollar aufgewendet und ist heute der größte private Stromproduzent Brasiliens. Weitere Übernahmen ausländischer Konkurrenten im Stromsektor werden erwartet: Ein Sechstel der brasilianischen Stromerzeugung steht zum Verkauf. Von der Branche haben die Investoren in den vergangenen Jahren die Finger gelassen, nachdem die Regierung jahrelang ins Preissystem eingegriffen hatte.

Petrobras verliert Marktanteile Einen ähnlichen Ausverkauf erlebt der Öl- und Gassektor: Ausländische Ölkonzerne sind in kurzer Zeit zu wichtigen Akteuren geworden, wo vorher die staatliche Petrobras alles dominierte - etwa die norwegische Statoil.

Auch der australische Ölkonzern Karoon und die französische Total wollen ganz groß einsteigen. Der kanadische Fonds Brookfield Infrastructure Partners hat das Gaspipelinenetz von Petrobras übernommen, für 5,2 Milliarden Dollar. Für das ebenfalls zum Verkauf stehende Tankstellennetz von Petrobras interessieren sich 60 Unternehmen.

Auch vor schwierigen Branchen schrecken die Investoren nicht zurück: Bei allen brasilianischen Fluggesellschaften sind ausländische Konkurrenten eingestiegen, obwohl die Unternehmen seit längerem Verluste einfliegen. Die neuen Teilhaber hoffen auf Gesetzesreformen, die es ihnen erlauben würden, auch größere Anteile zu übernehmen.

Die durch die Korruptionsaffäre angeschlagenen Baukonzerne verhandeln mit ausländischen Konkurrenten über den Verkauf ganzer Unternehmenssektoren, um damit ihre Schulden abzubauen.


Brasilien ist preiswert geworden für den Einstieg

Strategisch sind Investitionen für alle Anbieter sinnvoll, die als Zulieferer bei den Wertschöpfungsketten einsteigen wollen, wo weltweite Wettbewerbsvorteile bietet. Das gilt vor allem für die Landwirtschaft - vom Acker bis zur Nahrungsmittelverarbeitung - und den Bergbau.

So verhandelt der Bergbaukonzern Vale über den Verkauf von Anteilen an seiner Kohlemine in Mosambik sowie seiner gesamten Düngemittelsparte. Das chinesische Bergbauunternehmen China Molybdenum (CMOC) hat jetzt für 1,7 Milliarden Dollar den brasilianischen Molybdän-Hersteller Niob von der britisch-südafrikanischen Anglo American abgekauft. Der österreichische Industriezulieferer RHI übernimmt den brasilianischen Konkurrenten Magnesita.

Die ausländischen Konzerne kommen auch nach Brasilien, weil die Unternehmen des Landes infolge der Krise billiger geworden sind und sich deshalb als Übernahmeziel anbieten. Schreckten noch vor kurzem Fantasiepreise viele Investoren ab, so ist das Niveau inzwischen erheblich gesunken. „Brasilien ist preiswert geworden für den Einstieg“, beobachtet Unternehmer Diniz.

Auch die mittelfristig trüben Aussichten für den lokalen Konsum schrecken langfristig planende Investmentfonds nicht ab: So verhandeln derzeit mehrere Fonds, darunter Blackrock, mit Betreibern von Shopping-Malls und Modeketten über den Verkauf von Unternehmensanteilen. Ausländische Bieter interessieren sich für Unternehmensanteile oder Produktsegmente von Pharma- und Kosmetikmarken, von Laborketten bis Kliniken.

Doch trotz der hohen Summen, die sie auszugeben bereit sind, bleiben die Investoren vorsichtig - vor allem die deutschen Konzerne. Dennoch verpasse die deutsche Wirtschaft nicht den Einstieg, erklärt Volkswagen-Vorstand Renschler. Deutsche Unternehmen seien schon seit Jahrzehnten in vielen Schlüsselbranchen gut vertreten. „Wir fangen ja nicht bei null an.“

KONTEXT

So profitieren Mittelständler von der Globalisierung

Wachstumstreiber

Die Weltexporte sind weitaus stärker gestiegen als die nationalen Bruttoinlandsprodukte. Die Globalisierung war und bleibt auch in Zukunft ein Wachstumstreiber.

(Quelle: Hermann Simon, "Hidden Champions - Aufbruch nach Globalia")

Hermann Simon, "Hidden Champions - Aufbruch nach Globalia"

Kaufkraft

Die Musik wird weiterhin in Amerika und Europa spielen. Das gilt nicht nur für die Höhe der Bruttoinlandsprodukte, sondern auch für deren absolute Zuwächse. Hinzu kommt China als dritter Pol mit dem größten Zuwachs an Kaufkraft. Viele weitere Regionen werden an Bedeutung gewinnen, aber dennoch im Jahr 2025 deutlich hinter diesen drei Polen der Weltwirtschaft zurückbleiben.

Marktposition

Deutsche Mittelständler, die im globalen Wettbewerb mithalten wollen, müssen die erste Priorität darauf legen, ihre Marktpositionen in Europa und den USA zu halten beziehungsweise in vielen Fällen die Position in den USA zu stärken.

Marktstellung

An zweiter Stelle steht der Aufbau starker Marktstellungen in China und Indien.

Perspektive

ASEAN, Osteuropa/Russland, Lateinamerika und längerfristig Afrika bieten ebenfalls attraktive Wachstumsperspektiven. Die treibende Kraft in Afrika ist dabei die Bevölkerungsexplosion. Die Nutzung all dieser Chancen beinhaltet für Mittelständler eine Herkulesaufgabe.

Rückschläge

Trotz der grundsätzlich optimistischen Einschätzung lassen sich Rückschläge in der Globalisierung - insbesondere im Zuge von Krisen - nicht ausschließen. Protektionismus, Globalisierungsgegner oder die Bevorzugung nationaler Champions können den freien Handel behindern.

Die richtige Balance

Die Welt ist zwar "flacher" als vor 20 Jahren, aber "flach" ist sie bis heute nicht. Regionale, nationale und lokale Unterschiede werden weiter bestehen. Es geht deshalb auch in Zukunft darum, die richtige Balance zwischen Standardisierung und Differenzierung zu finden. Mittelständler dürften hier im Vorteil sein, da sie im Hinblick auf die resultierenden Anpassungsnotwendigkeiten flexibler sind als Großunternehmen.

KONTEXT

Vier Thesen zur globalen Machtwende

Der globale Südgürtel

Asien, Lateinamerika und Afrika formieren sich: Die Länder des globalen Südens bilden neue Allianzen und zeigen ungeahnte Stärke. Durch Digitalisierung und Globalisierung konnten diese Regionen in rasantem Tempo aufholen und befinden sich in etlichen Bereichen bereits vor den USA und Europa.

Afrika - Asien - Lateinamerika

Allen voran China, zeigen die bisher als Entwicklungsländer belächelten Nationen in Asien, Lateinamerika und Afrika eine Wirtschaftskraft, die den Westen überrascht. Zwischen China, Afrika und Lateinamerika ist ein Dreieck politischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit entstanden. In Asien wird sich die "Seidenstraße" China als neues Zentrum des Welthandels etablieren.

China, der »Game Changer«

China setzt die neuen Regeln fest. Ob in Asien, Afrika, Südamerika oder Europa und sogar der Antarktis: China baut seine Vormachtstellung aus und kontrolliert immer größere Bereiche des Welthandels und Finanzsystems. Auch in Forschung und Entwicklung erleben wir ein neues, innovatives China. Schon bald werden sich die Verhältnisse umkehren: in China entwickelt, in Europa produziert.

Städte - die globalen Akteure

Bald werden 70 Prozent der Menschen in Städten leben. Dieses Wachstum wird sich auf die heutigen Entwicklungsländer konzentrieren, allen voran Lateinamerika. In den Städten werden auch 80 Prozent des weltweiten BIP produziert werden. Städte werden schon bald eine Größe und Macht erreicht haben, dass sie wie Quasi-Staaten agieren und globale Bedeutung erlangen werden.

Doris Naisbitt

Doris Naisbitt ist Direktorin des Naisbitt China Institute, Kolumnistin, Autorin zweier Bestseller für Chinas Jugend, und mit John Naisbitt Koautorin des Bestsellers Chinas Megatrends, Innovation in China and China Model. Doris Naisbitt ist Ehrendoktorin der Pukyong National Universität, Korea, und Gastprofessorin an der Beijing Foreign Studies Universität.

John Naisbitt

John Naisbitt rangierte mit "Megatrends" zwei Jahre an der Spitze der Bestsellerliste der New York Times, meist als Nummer Eins. Seine in viele Sprachen übersetzten Bücher erreichen ein Millionenpublikum. John Naisbitt wirkte als Topmanager in Weltkonzernen, war Berater Lyndon B. Johnsons und stellvertretender Erziehungsminister unter Kennedy. Er ist gefragter Redner und hält 21 Ehrendoktorate.

Quelle

"Machtwende - Wie die Länder des globalen Südgürtels unsere Welt verändern werden", von John und Doris Naisbitt.382 Seiten, HardcoverErschienen am 18. Juni 2016Goldegg Verlag Berlin & WienISBN 978-3-903090-12-5

"Machtwende - Wie die Länder des globalen Südgürtels unsere Welt verändern werden"

KONTEXT

Brasiliens Wirtschaftskrise

Frust und Wirtschaftskrise

Die Unzufriedenheit in Brasilien mit der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff hängt in hohem Maße auch mit der Wirtschaftskrise zusammen. Brasilien ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in Lateinamerika. Die Exporte nach Brasilien betrugen 2014 laut Auswärtigem Amt etwa 11,8 Milliarden Euro. Die Einfuhren aus Brasilien sanken mit 6,6 Milliarden Euro um fast acht Prozent.

Rezession

Dem Land droht die tiefste Rezession seit den 1930er Jahren. 2015 brach die Wirtschaftsleistung um 3,8 Prozent ein, das Bruttoinlandsprodukt betrug 5,9 Billionen Real (1,48 Bio. Euro). Der Internationale Währungsfonds erwartet für 2016 minus 3,5 Prozent.

Arbeitslosigkeit

Bis April waren 11,1 Millionen Menschen arbeitslos, die Quote lag bei 10,9 Prozent, 40 Prozent höher als vor einem Jahr. Der Konsum ist eingebrochen, durch eine Inflation von zehn Prozent ächzen die Bürger unter steigenden Preisen. Da der Binnenmarkt in dem 200-Millionen-Einwohner-Land einen Anteil von 80 Prozent am BIP hat, liegt in der schwachen Nachfrage ein Hauptgrund des Einbruchs.

Strukturelle Probleme

Durch ein hohes Staatsdefizit fehlen Mittel für Investitionen, die Infrastruktur ist marode. Auch deutsche Autobauer wie Volkswagen müssen Einbrüche bei den Verkaufszahlen verkraften. Zudem gibt es Probleme wie überbordende Bürokratie.

Rohstoff-Exportabhängigkeit

Der niedrige Ölpreis lässt die Einnahmen sinken. Zudem ist der Ölkonzern Petrobras, mit 80 000 Angestellten größter Arbeitgeber, in einen enormen Korruptionsskandal verwickelt. Das staatlich kontrollierte Unternehmen verbuchte 2015 einen Verlust von 8,6 Milliarden Euro und ist zum massiven Sparen gezwungen.