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Das große Geben: Milliardäre revolutionieren Spendensystem

423 Millionen US-Dollar haben John und Laura Arnold im vergangenen Jahr gespendet. Das war nur der Anfang. Fast vier Milliarden Dollar will das Ehepaar aus dem US-Bundesstaat Texas insgesamt loswerden. Bedürftige und Hilfsorganisationen dürfen allerdings nicht auf den Geldsegen hoffen. Die beiden wollen ausschließlich und langfristig die großen Probleme der Gesellschaft angehen und entsprechende Projekte fördern – mit dem Risiko, dass ein Millionen-Investment umsonst sein könnte. Yahoo! erklärt, wie die Arnolds das Spendensystem revolutionieren, warum solche Großspender immer wichtiger werden und warum in Deutschland andere Voraussetzungen herrschen.

John und Laura Arnold wollen die Welt verändern. Dazu investiert das Ehepaar aus Houston mit der Arnold Foundation beinahe ihr gesamtes Vermögen in Projekte, Studien und Reformen. Im vergangenen Jahr spendeten sie in den USA die drittgrößte Geldsumme: 423 Millionen Dollar. Das berichtet das „Wall Street Journal“.

Doch Arnold schreibt keine Schecks für die Obdachlosenhilfe oder Unicef. Er bekämpft nicht den Hunger oder fördert das Schulsystem, wie es andere Millionäre tun um unmittelbar sichtbare Ergebnisse zu erzielen. Arnold will die Gesellschaft ändern, wie er sagt. Die großen Probleme anpacken, für die es keine einfachen Lösungen gibt. Fettleibigkeit besiegen. Das Justizsystem verbessern. Die Altersvorsorge erneuern.

„Wir starteten mit einer Aufgabe: Wie können wir am meisten Gutes tun“, so Arnold zum „Wall Street Journal“. Dazu sucht er sich interessante Projekte aus oder gibt sie in Auftrag. Er analysiert riesige Datenmengen, um aus ihnen eine bessere Zukunft abzulesen. Es sind „Wetten“, abgeschlossen aufgrund der Analyse verschiedener Faktoren, immer mit einem Risiko im Hinterkopf: der totale Verlust des Einsatzes. Denn bei den großen Spielchen kann selbst Arnold keinen Erfolg vorhersagen. „Wenn man nicht bereit ist, dieses Risiko einzugehen, wird die Belohnung immer begrenzt sein“, findet der Investor.

Mit dieser Einstellung war er bereits an der Börse unglaublich erfolgreich. Vier Milliarden Dollar hat John Arnold, ein ehemaliger Erdgas-Händler beim einstigen amerikanischen Energieriesen Enron, im vergangenen Jahrzehnt an der Wall Street gemacht, nur wenige Zocker schafften mehr. Den eigenen Hedgefonds Centaurus Energy schloss er im Oktober 2012 und wurde mit 39 Jahren hauptberuflich Großspender.

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26 Millionen Dollar ließen sich die Arnolds eine Studie zu Ernährung und Fettleibigkeit kosten. Um zu untersuchen, ob wirklich alle nicht gewalttätigen Angeklagten vor einer Gerichtsverhandlung in Untersuchungshaft sitzen müssen, analysierten sie 1,5 Millionen Fälle. Sie entwickelten ein Programm, mit dem man abschätzen kann, ob der Verdächtige höchstwahrscheinlich eine Gefahr für die Allgemeinheit ist – oder ob er bis zur Verhandlung auf freien Fuß gesetzt werden kann und die USA viele Millionen Dollar für die Unterbringung sparen können. Ende des Jahres soll das Tool getestet werden.

„Wir hoffen, dass mehr politische Entscheidungen aufgrund von Daten getroffen werden, und nicht aus Angst oder Instinkt“, zitiert die Zeitung Laura Arnold. Wo keine Unterstützung der Politik in Sicht ist, investieren selbst die Arnolds nicht. Und bevor sie Schecks ausstellen, befragen sie die führenden Experten zum Thema – auch Kritiker und Vertreter von Thesen abseits der gängigen Lehrmeinung.

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 „Ein tolles Vorgehen. In Deutschland werden Menschen ins Abseits gedrängt, die von der akademischen Meinung abweichen“, sagt der Berliner Berater und Experte Gordon Müller-Eschenbach. In seinem Buch „Alle gegen einen – unser Kampf gegen den Krebs“, das im September erscheint, befasst er sich mit der Geschichte der Deutschen Knochenmarkspenderdatei DKMS. Die wurde aus Betroffenheit gegründet und ist jetzt Weltmarktführer im Kampf gegen Blutkrebs. Von den Arnolds ist er begeistert und appelliert an die Reichen, es dem Ehepaar gleich zu tun. „Wir brauchen mehr dieser Großspender. Nicht mehr kleine Schecks, sondern professionell durchorganisierte Analysen und dann richtig großes Investment. Der Staat hat heutzutage nicht mehr die Mittel, um die großen Metathemen von heute zu lösen.“ In Deutschland gebe es viel Vermögen, vor allem in Familienunternehmen im Mittelstand, die schon aus Tradition des Unternehmertums ihr Vermögen auch in gesellschaftlich beziehungsweise sozial relevante Themen investieren wollen.
 
Allerdings sieht der Experte einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Deutschland und den USA. In Amerika sei die Spendenbereitschaft ausgeprägter, weil sich der Staat weniger engagiere. Wer viel verdiene, sei sich größtenteils auch seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Die Deutschen seien es gewohnt, dass der Staat das meiste regele.

Kritiker der Arnolds bemängeln, dass die Gelder nicht sofort bei den Menschen ankommen. Dass auch mal Millionen verschwendet werden könnten, falls die Studie oder das Projekt erfolglos bleibe. Dass all das zu lange dauern würde. „Diese Kritiker sehen das große Ganze nicht“, sagt Müller-Eschenbach. Die Arnolds bringen hohe Einsätze, damit später Staat und Gesellschaft einmal Milliarden an Geldern sparen können. Die Millionenbeträge seien nicht viel im Vergleich zu den Summen, die die USA für die Nachsorge zum Beispiel von Diabetes ausgeben müssten, findet Müller-Eschenbach. Und wer rechne mal nach, was die Verwaltung von DRK, Caritas und anderen koste?

Ist es also bedeutender und in der Gesellschaft mehr wert, irrwitzige Millionensummen in Projekte mit ungewissem Ausgang zu stecken, als einen Scheck an das örtliche Rote Kreuz zu geben? Ja, findet Müller-Eschenbach. „Es sind die Meta-Themen, die gelöst werden müssen, damit uns nicht alles um die Ohren fliegt. Und dazu braucht man Milliarden.“ Organisationen wie die Caritas blieben natürlich weiter auf Kleinspender angewiesen. In einem Punkt stimmt Müller-Eschenbach aber mit den Gegnern der Arnolds überein: Nicht alles könne mit Daten ermessen und daraufhin bekämpft werden.