Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.492,49
    +15,40 (+0,08%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.083,42
    +1,68 (+0,03%)
     
  • Dow Jones 30

    39.807,37
    +47,29 (+0,12%)
     
  • Gold

    2.254,80
    +16,40 (+0,73%)
     
  • EUR/USD

    1,0778
    -0,0015 (-0,14%)
     
  • Bitcoin EUR

    65.262,45
    +254,42 (+0,39%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    83,11
    -0,06 (-0,07%)
     
  • MDAX

    27.043,04
    -48,91 (-0,18%)
     
  • TecDAX

    3.454,38
    -2,98 (-0,09%)
     
  • SDAX

    14.294,62
    -115,51 (-0,80%)
     
  • Nikkei 225

    40.369,44
    +201,37 (+0,50%)
     
  • FTSE 100

    7.952,62
    +20,64 (+0,26%)
     
  • CAC 40

    8.205,81
    +1,00 (+0,01%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.379,46
    -20,06 (-0,12%)
     

10 Jahre Lehman-Pleite: Kollaps mit Erschütterungen bis heute

Nicht nur an der Wall Street hat sich das Datum eingebrannt: Am 15. September jährt sich die Lehman-Pleite zum 10. Mal. (Bild: dpa)
Nicht nur an der Wall Street hat sich das Datum eingebrannt: Am 15. September jährt sich die Lehman-Pleite zum 10. Mal. (Bild: dpa)

Einer der größten Finanzmarktschocks der Wirtschaftsgeschichte jährt sich zum zehnten Mal: Die Lehman-Pleite hat einiges ins Wanken gebracht, auch politisch. Kann sich die Katastrophe wiederholen?

Die Banker packten ihre Sachen und verließen mit Kartons das Hochhaus, Bilder verstörter Börsianer machten die Runde. Es hieß immer «too big to fail», und nun wurde eine Bank nicht vom Staat gerettet. An diesem Samstag (15. September) vor zehn Jahren erschütterte der Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers die Finanzmärkte und brachte die Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs. Mit Hunderten Milliarden an Notfallkrediten aus Steuermitteln und drastischen Zinssenkungen versuchten Politik und Notenbanken, weitere Geldhäuser zu retten und den Absturz der Konjunktur zu bremsen.

Das Schlimmste konnte zwar verhindert werden, doch der Preis dafür war hoch. Und letztlich fiel die Bilanz dennoch verheerend aus. Auch ein Jahrzehnt später wirkt die Finanzkrise gesellschaftlich und politisch noch nach, und es stellt sich die Frage: Ist man heute besser gegen so etwas gewappnet?

WERBUNG

Nicht nur in der Finanzwelt hat sich das Datum eingebrannt: «Den 15. September 2008 werde ich niemals vergessen», sagt Chefvolkswirt Jörg Krämer von der Commerzbank. Die Lehman-Pleite markiert genau genommen nur eine Eskalationsstufe der Finanzkrise, steht damit aber für eines der schwärzesten Kapitel der Wirtschaftsgeschichte – Millionen Menschen wurden arbeitslos, viele verloren ihre Eigenheime oder Ersparnisse und wurden in die Armut gedrängt. Die Folge waren tiefe gesellschaftliche Risse, denn während verantwortliche Manager kaum belangt wurden, zahlte die breite Bevölkerung die Zeche. Die Wut darüber bereitete radikalen politischen Strömungen den Boden.

Wie konnte es soweit kommen? «Lehman war keine besonders große Bank, doch sie hätte beinahe das globale Finanzsystem in den Abgrund gezogen», erklärt Experte Harold James von der Universität Princeton. Mit vielen Töchtern und Zweckgesellschaften sei Lehman typisch für das Dickicht der Finanzmärkte gewesen, in dem faule Immobilienkredite zu toxischen Wertpapieren verpackt und – mit dubiosen Gütesiegeln großer Ratingagenturen versehen – weltweit bei Investoren platziert wurden. Als die Preise am US-Häusermarkt zu sinken begannen und die Hypotheken der heillos überschuldeten Eigenheimer wertlos wurden, sorgten diese internationalen Verflechtungen für einen Flächenbrand.

Obwohl die schwerste Finanzkrise seit der großen Depression der 1930er Jahre ihren Ursprung in den USA hatte, richtete sie auch in Deutschland viel Schaden an und hinterließ tiefe Spuren. Am 5. Oktober 2008 verkündeten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) in Stunden höchster Anspannung eine gewaltige Garantie: Die Spareinlagen der Bürger sind sicher. Sie taten das kommunikativ etwas holprig, so dass die Tragweite der Worte zunächst unklar blieb. Mit der nicht näher erläuterten Garantie sollte ein massenhaftes Abheben von Sparguthaben und ein Zusammenbruch des Finanzsektors vor der nächsten Börsenwoche abgewendet werden. Doch der folgende Wirtschaftseinbruch war tief.

Mit Kurzarbeit und Milliardenhilfen wurden aber mehr als 1,5 Millionen Jobs in der Krise gerettet. «Nur ein Handeln des Staates kann jetzt das notwendige Vertrauen zurückbringen», sagte Merkel. «Wir tun das nicht im Interesse der Banken, sondern im Interesse der Menschen.» Doch viele Bürger empfanden das Gegenteil. Zudem schwappte die Krise im Zuge der europaweiten Rettungsmaßnahmen bald von der privaten Wirtschaft zu den öffentlichen Finanzen über. Besonders schwer waren die Verwerfungen in Griechenland, wo die Staatsverschuldung auf mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts explodierte.

«Scheitert der Euro, scheitert Europa», wurde nun zu Merkels Dogma – weitere Rettungspakete waren die Folge. Als Anti-Euro-Partei gründete sich die Alternative für Deutschland (AfD), nach mehreren Häutungen und Vorsitzendenwechseln zieht die AfD heute ihre Stärke vor allem aus der Ablehnung von Merkels Flüchtlingspolitik. Aber die AfD verkörpert auch die Unsicherheit vieler Bürger nach der Finanzkrise. Auch in den USA gelten die gesellschaftlichen Folgen der Krise als Wegbereiter radikaler politischer Bewegungen wie der Tea Party oder Occupy Wall Street, die zusammen mit den sozialen Medien letztlich auch die Präsidentschaft von Donald Trump begünstigten.

Eine Analyse der Wissenschaftler Christoph Trebesch und Manuel Funke vom Kieler Institut für Weltwirtschaft kommt zu dem Schluss, dass in der Regel rechte Parteien durch die Finanzkrise gestärkt wurden. Die Lega in Italien, die AfD in Deutschland, die norwegische Fortschrittspartei oder die Finns-Partei in Finnland seien «Kinder von Finanzkrisen», schreiben sie. Sie würden stark disruptiv auf die politischen Systeme wirken. «Zwei-Parteien-Systeme, die Jahrzehnte lang stabil waren, wurden hinweggefegt, lange regierende Parteien mussten plötzlich einstellige Wahlergebnisse verkraften, während populistische Parteien politischen Zulauf bekamen.»

Ist der Finanzsektor heute wenigstens krisenfester aufgestellt? Daran gibt es durchaus Zweifel. In den USA ist die Trump-Regierung schon wieder dabei, die Gesetze aus der Obama-Ära zu lockern, die als Lehre aus der Finanzkrise beschlossen worden waren. In Deutschland wurden zwar seit 2008 rund 50 Gesetze vom Finanzmarktstabilisierungs- bis zum Hochfrequenzhandelsgesetz auf den Weg gebracht, aber Kritiker sehen immer noch zu wenig Schutz – vor allem weil die Banken nicht zu mehr Rücklagen und höheren Eigenkapitalquoten verpflichtet würden, die staatliche Rettungsmaßnahmen nicht mehr erforderlich machen würden. Und eine der gravierendsten Folgen für die Bürger sind heute die niedrigen Zinsen, mit denen Banken und die Wirtschaft wieder auf die Beine kommen sollten.

Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick hat im Bundestag immer wieder für härtere Maßnahmen gekämpft. Sein Urteil zehn Jahre danach fällt ernüchternd aus: «Was 2008 als Bankenkrise begann, wurde rasant zur Eurokrise. Statt die Krise grundlegend zu lösen, haben die Bundesregierungen unter Angela Merkel immer nur die Symptome bekämpft», kritisiert er. «Inzwischen breitet sich die Krise auch auf SparerInnen, MieterInnen und HauskäuferInnen aus: Auch dank niedriger Zinsen explodieren Mieten und Hauspreise, und die private Altersvorsorge vieler schmilzt dahin.» Zudem geraten Lebensversicherungen zunehmend unter Druck. «Und Sparerinnen und Sparer sind noch immer provisionsgetriebener Finanzberatung ausgesetzt», kritisiert Schick.

Commerzbank-Chefökonom Krämer ist zwar mit Blick auf den Euroraum der Ansicht, dass die Bankenaufseher wichtige Konsequenzen gezogen hätten, er sieht aber dennoch Probleme. So würden die Notenbanken Übertreibungen an den Finanzmärkten durch lockere Geldpolitik begünstigen. «Ein weiteres Risiko, das auch zehn Jahren nach der Lehman-Pleite nicht gelöst ist, ist der schlechte Zustand der öffentlichen Finanzen in vielen Ländern der Währungsunion.» So seien die Staatsschulden relativ zum Bruttoinlandsprodukt mit Ausnahme von Deutschland und Malta in allen Euroraum -Ländern höher als vor dem Lehman-Kollaps. «In Italien, Spanien und Griechenland sind sie sogar deutlich höher als 2009 vor Ausbruch der Staatsschuldenkrise.» Die Lage bleibt also fragil.